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Nr. 99, Juli 2017 - Ihre Gesellschaft

Daimler Untertürkheim: Wenn der Erpresser zu offensichtlich lügt

Es ist immer dasselbe: Jedes Mal, wenn ein Autokonzern ein neues Modell produzieren will, versucht der Konzern, die einzelnen Standorte gegeneinander auszuspielen. Sie behaupten: Der Standort, dessen Arbeiter ‚am günstigsten produzieren‘, also am meisten verzichten, würde den Auftrag bekommen.

In Wahrheit haben die Konzernchefs schon vorher entschieden, wo sie das Modell produzieren lassen. Doch durch den angeblichen Wettbewerb zwischen den Standorten können sie jedes Mal vorher noch Verschlechterungen von den Arbeitern erpressen und dabei gleichzeitig die Idee verbreiten: „Jeder Arbeiter hat sein Schicksal selber in der Hand. Wer vernünftig ist und verzichtet, der kann seinen Arbeitsplatz und die Zukunft des Werks sichern.“

Im Motorenwerk von Daimler in Untertürkheim aber hat ihre Masche diesmal nicht funktioniert.

Daimler hatte angekündigt, die Batteriefertigung für Elektro-Motoren und eine Versuchswerkstatt für Elektro-Antriebe nach Untertürkheim zu geben, mit insgesamt 250 Arbeitsplätzen. Aber nur, wenn dafür alle 19.000 Arbeiter in Untertürkheim 3 Tage im Jahr mehr arbeiten. Und obendrein sollte die Batteriefabrik noch als eigenständige Tochterfirma gegründet werden – ohne Tarifvertrag!
Eine Metallfabrik ohne Tarifvertrag: Diese Zustände kennt man von kleinen Krautern, von mittelständischen Firmen. Jetzt sind wir so weit, dass ein Konzern wie Daimler sie einführen will.

Daimler hat tatsächlich versucht, die 19.000 Arbeiter damit zu erpressen, dass die Zukunft ihres ganzen Werks auf dem Spiel stehe, wenn die kleine Batteriefabrik mit ihren 250 Arbeitsplätzen nicht nach Untertürkheim käme. Schließlich wären Elektro-Motoren die Technologie der Zukunft.

Diese Erpressung war so absurd, dass die Bosse sich damit verraten haben. Und die Daimler-Arbeiter haben entsprechend reagiert. Sie haben sich geweigert, auf einen Tarifvertrag zu verzichten oder 3 Tage mehr zu arbeiten, und haben dies auch deutlich gezeigt.

Mehrfach haben sie für ein bis zwei Stunden die Arbeit niedergelegt. An zwei Samstagen haben sie keinen einzigen Motor hergestellt. Was dazu führte, dass die Bänder im Mercedes-Werk in Sindelfingen, wo diese Motoren in die E-Klasse eingebaut werden, ebenfalls stillstanden.
Und komisch: Nun kommen Batteriewerk und Versuchswerkstatt trotzdem nach Untertürkheim, quasi ohne Verzicht.

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