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Nr. 150, Januar 2022 - Internationales

Kasachstan: Putin hilft mafiöser Regierung und westlichen Konzernen

Der folgende Artikel ist angelehnt an einen Artikel unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière in ihrer gleichnamigen Zeitung vom 14.01.2022.

In den letzten Wochen hat Kasachstan einen Aufstand der arbeitenden Bevölkerung erlebt, der sich im ganzen Land ausgebreitet hat und zu einer ernsten Gefahr für die Regierung wurde.

Auslöser war die plötzliche und massive Erhöhung der Treibstoff-Preise am 1. Januar. Sie löste große Empörung aus in diesem Land, in dem die große Mehrheit der Bevölkerung arm, das Land hingegen umso reicher an Gas, Erdöl und Kohle ist.
Der Aufstand begann im Westen des Landes, wo zigtausende Arbeitende zusammengeballt in der Öl- und Erdgasförderung arbeiten. Spontane Streiks breiteten sich in Windeseile von einem Betrieb zum nächsten aus, und es kam zu großen Demonstrationen.

Präsident Tokajew versuchte, die Protestierenden als „Terroristen und Banditen“ zu verunglimpfen, die „vom Ausland gesteuert“ wären. Er verhängte den Ausnahmezustand und verbot damit alle Streiks. Gleichzeitig versuchte er, die Bevölkerung mit ein paar Zugeständnissen zu beruhigen.
Er nahm die geplante massive Erhöhung der Treibstoffpreise zurück. Außerdem entmachtete er den langjährigen Diktator Nazarbajew, der sich zwar offiziell zurückgezogen hatte, aber als Chef des Sicherheitsrates noch immer die Fäden der Macht in der Hand hielt. Voller Genugtuung konnte die Bevölkerung erleben, wie Nazarbajew – das verhasste Symbol der reichen und korrupten Bürokratie - endlich aus dem Sicherheitsrat rausflog und auch seine engsten Vertrauten ihre Posten an der Spitze der Macht verloren. Doch Präsident Tokajews Plan, dass die einfache Bevölkerung sich damit zufrieden geben und die Proteste beenden würde, ging nicht auf.

Im Gegenteil, der Aufstand breitete sich immer weiter aus. Von den Ufern des kaspischen Meeres erreichte er den Norden und den Süden, wo sich die wirtschaftliche Hauptstadt Almaty befindet. Dort kam es zu härteren Auseinandersetzungen zwischen Armee und Polizei auf der einen und den Demonstranten auf der anderen Seite. Letzteren gelang es, einige Waffengeschäfte zu plündern und so Armee und Polizei nicht vollkommen unbewaffnet gegenüberzustehen. In anderen Städten gelang es den Demonstranten, dass Soldaten und Polizisten ihnen gegenüber eine wohlwollend neutrale Haltung einnahmen, was den Demonstranten ermöglichte, eine Reihe staatlicher Gebäude zu besetzen.
Die Lage entglitt Präsident Tokajew zusehends, weshalb er schließlich den Befehl gab, mit scharfer Munition auf die Bevölkerung zu schießen. Und er rief seinen Nachbarn, den russischen Präsidenten Putin zu Hilfe, der kurz darauf militärisch in Kasachstan einmarschierte.

Um die russische Bevölkerung darauf vorzubereiten, überflutete der Kreml die Medien mit Falschinformationen. Es wurden angebliche „Beweise“ dafür präsentiert, dass islamistische Terroristen in die Proteste verwickelt seien, ebenso aus dem Ausland hergeschickte Banditen, Vergewaltiger und Plünderer sowie antirussische Nationalisten.
Der kasachische Präsident Tokajew trug seinen Teil zur Propaganda bei, indem er die Proteste als eine vom Ausland gesteuerte Operation zur Destabilisierung des Landes darstellte. Das lieferte Putin den Vorwand, um Truppen und Panzer nach Kasachstan zu schicken.

Der russische Präsident hatte dabei völlig freie Hand, da auch die westlichen Staaten nicht mal so taten, als würden sie die kasachische Bevölkerung unterstützen, die sich gegen ihr tyrannisches Regime auflehnt. Selbst als die kasachische Regierung 160 Tote und 6.000 Verhaftungen meldete - und das sind nur die offiziellen und vorläufigen Zahlen - rief die Europäische Union ernsthaft zur "Wiederaufnahme des Dialogs" auf. Und die USA? Während diese seit Monaten keine Gelegenheit auslassen, um Russlands tatsächliche oder vermeintliche Kriegsabsichten in der Ukraine aufs Schärfste anzuprangern, bezeichneten sie den Einmarsch der russischen Truppen in Kasachstan schlicht als „Wiederherstellung der Ordnung“! Der Form halber mahnten sie einzig an, man solle dabei „zurückhaltend“ vorgehen.

In Wahrheit kam es für die westlichen, imperialistischen Mächte sehr gelegen, dass Putins Soldaten die Drecksarbeit übernommen haben, die kasachische Bevölkerung in die Schranken zu weisen. Denn deren Massenproteste und ihr plötzliches Eingreifen in die politischen Verhältnisse behindert die Geschäfte der US-amerikanischen, britischen, deutschen und französischen Konzerne.
British Gaz, Chevron, Exxon Mobil, TotalEnergies, Arcelor und führende chinesische Unternehmen betrachten Kasachstan als Eldorado. Auch für die deutschen Konzerne ist Kasachstan der wichtigste Handelspartner in Zentralasien. Und die internationalen Konzerne erwarten von den kasachischen und russischen Machthabern, dass letztere alles dafür tun, damit dies so bleibt. Die Aussicht, dass das Öl, Gas oder Uran in Kasachstan mit dem Blut demonstrierender Arbeiter gefärbt wird, stört sie nicht, solange ihre Profite weiter fließen.

Doch auch wenn sie die Unterstützung der internationalen Konzerne hat, gibt es keine Garantie dafür, dass die russische Militärintervention die Proteste auf Dauer brechen wird. Vor knapp zehn Jahren hat das kasachische Regime bereits einmal ein Blutbad angerichtet, um massive Streiks von Öl- und Gasarbeitern zu beenden. Dies geschah in Schangaösen; genau der Stadt, in der auch diesmal die Kämpfe gegen die Preiserhöhungen und das Regime ihren Anfang genommen haben.
Sicher ist, dass es nicht die letzte Revolte gewesen sein wird, mit der es die internationalen Konzerne weltweit angesichts der explodierenden Preise und des wirtschaftlichen Chaos in absehbarer Zeit zu tun bekommen werden.

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