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Nr. 63, April 2014 - Leitartikel

 Ihre „Konkurrenzfähigkeit“ ist eine Waffe gegen die Arbeitenden

Die Regierung hatte Arbeiterfamilien, alleinerziehenden Müttern, Rentnern versprochen, dass es mit der „Energie-reform“ besser für sie würde. Doch das Gegenteil ist der Fall. Für sie alle wird die Stromrechnung weiter steigen. Sie werden weiter vor der Sorge stehen, wo sie hierfür das Geld auftreiben. Die Konzerne aber, die seit Jahren mit öffentlichen Geldern überhäuft werden, werden auch weiterhin „entlastet“. Dafür hat die Regierung gesorgt.

Für diese Milliarden-Geschenke an die Konzerne erhöht die Regierung unsere Stromsteuern. Und weil das nicht ausreicht, plündert sie dafür ein Stück mehr die öffentlichen Kassen. Und dann behauptet sie noch, das wäre ja nur zu unserem Wohl. Ohne die Milliardenhilfen wären Industrie und Energiebranche angeblich nicht mehr konkurrenzfähig. Und das würde unsere Zukunft und hunderttausende Arbeitsplätze in Gefahr bringen.
 
Wie oft haben wir Arbeitenden das schon gehört! Immer, wenn uns die Kapitalisten an den Kragen wollen, wenn sie uns die Löhne kürzen, mehr Arbeit aufzwingen oder sie noch mehr Geld vom Staat wollen, dann erzählen sie uns etwas von Konkurrenz und der „Rettung unserer Arbeitsplätze“.
Als ob die Unternehmer sich je um unsere Arbeitsplätze sorgen würden! Sie bauen doch ständig und zum Teil massiv Stellen ab. Und egal auf wie viel wir für sie verzichten, sie kassieren, und dann entlassen und schließen sie trotzdem, wie sie wollen. Denn das einzige, was sie interessiert, ist ihr Profit.

Doch genau um davon abzulenken, wiederholen und wiederholen sie die Lüge der Konkurrenzfähigkeit. Damit wir die Unternehmen quasi als Opfer sehen, die im wirtschaftlichen Krieg „keine Wahl“ hätten, als uns immer mehr wegzunehmen. Und damit wir stattdessen die Arbeitenden anderer Betriebe, Standorte und anderer Länder als unsere „Konkurrenten“ sehen, die für die ständigen Verschlechterungen verantwortlich wären.
Auf diese Weise sollen wir es letztlich als eine Art Naturgesetz hinnehmen, dass wir irgendwann gar nicht mehr in Urlaub fahren können, neben der Rente noch arbeiten müssen und für die Autoreparatur oder die Stromrechnung einen Kredit aufnehmen müssen.
Und auch, dass die öffentlichen Kassen (die man für Geschenke an die Kapitalisten plündern „muss“) halt leer sind und so vieles langsam kaputt geht, was das alltägliche Leben zumindest ein bisschen erleichtert hat: eine bezahlbare Straßenbahn, die alle 10 Minuten fährt; kostenlose Schulbücher und Vorsorgeuntersuchungen; ein Krankenhaus, in dem man bleiben kann, bis man halbwegs gesund ist...
 
Sie wollen uns Arbeitenden das Gefühl geben, dass wir auch wirklich gar nichts verlangen dürfen. Dass jede Lohnerhöhung quasi schon die Unternehmen in Gefahr bringen würde. Dass wir also Schuld an Massenentlassungen seien, wenn wir auch nur die Bezahlung von lächerlichen 8,50 Euro Mindestlohn verlangen. Oder wenn die Arbeitenden wie bei ThyssenKrupp so „unverantwortlich“ sind und nicht auf 300 Euro Lohn im Monat verzichten wollen.
Und dass wir (!) „maßlos“ und „egois-tisch“ die öffentlichen Kassen plündern würden, wenn wir mit 61 ohne Abzüge in Rente gehen wollen. Oder wenn Busfahrer und Kindergärtnerinnen mit 1500 Euro netto höhere Löhne fordern.
 
Doch eine würdige Existenz zu verlangen, ist weder unverantwortlich noch egoistisch. Das ist unser Recht. Wir Arbeitenden sind die wichtigste Klasse dieser Gesellschaft. Wir bauen alle Gebäude, verlegen die Stromleitungen, produzieren alle Güter, transportieren und verkaufen sie in den Läden. Wir pflegen die Kranken, erziehen die Kinder und beseitigen den Müll. Ohne uns gäbe es nichts: Wir sorgen in der Gesellschaft für alles.
Daher haben wir jedes Recht, auch unsere Interessen durchzusetzen. Wir haben jedes Recht einzufordern, dass die Gesellschaft, die wir erhalten, uns ein sicheres und würdiges Leben ermöglicht, angefangen bei vernünftigen Löhnen und Renten für alle.
 
Und durch unsere Rolle in der Wirtschaft halten wir Arbeitenden auch ein sehr mächtiges Mittel in der Hand, um unsere Forderungen durchzusetzen. Denken wir nur daran, was es bereits für Auswirkungen hatte, als nur ein kleiner Teil der Arbeitenden des Öffentlichen Dienstes für ein bis zwei Tage gestreikt hat.
Was würde es erst für Auswirkungen haben, wenn mit ihnen gleichzeitig Kassierer der Supermärkte, Arbeiter der Auto-, Stahl- und Chemiebetriebe für ihre gemeinsamen Forderungen entschlossen in den Streik treten würden?
 
An dem Tag, an dem wir Arbeitenden hierfür das Selbstbewusstsein und die Kampfeslust wiederfinden, wird sich zeigen: Es ist kein Naturgesetz, dass es uns immer schlechter gehen muss.

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