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Nr. 110, Juli 2018 - Ihre Gesellschaft

Ein neues Polizeigesetz gegen Migranten, Arbeiter und alle, die Kritik üben

Die NRW-Landesregierung will im Herbst ein neues Polizeigesetz einführen. Auch in allen anderen Bundesländern (mit Ausnahme Thüringens) steht dies auf der Tagesordnung. Was die Polizei bislang nur bei Verdächtigen durfte, soll sie jetzt bei allen Menschen dürfen. Sie soll von uns allen jederzeit Emails, WhatsApp, Festplatten und Internet-Protokolle lesen dürfen. Sie soll jedem Menschen Aufenthaltsverbote für einzelne Orte geben und ihm eine elektronische Fußfessel anbringen dürfen.

Bislang durfte die Polizei dies alles nur, wenn ein konkreter Verdacht vorlag, dass jemand eine schwere Straftat begangen hat oder plant. Künftig soll es ausreichen, dass die Polizei vermutet (!), jemand denke über eine solche Straftat nach. So könnten sie zum Beispiel streikenden Arbeitern, die als Streikposten vor ihrem Werkstor stehen, verbieten sich dort aufzuhalten – mit der Begründung, die Arbeiter würden vielleicht darüber nachdenken, einen Anschlag auf das Unternehmen zu verüben.

Mehr noch: Im Namen der Terroristenbekämpfung sollen sie künftig jeden Menschen ohne konkrete Vorwürfe und ohne richterlichen Beschluss einen Monat lang ins Gefängnis stecken können, in Bayern sogar drei Monate lang!
Es reicht, dass die Polizei behauptet: „Wir vermuten, dass er darüber nachdenkt, einen Terroranschlag zu planen.“ Und da niemand beweisen kann, dass er nicht über einen Terroranschlag „nachgedacht“ hat – wie auch – bedeutet dies, dass die Polizei schlichtweg jeden einen Monat lang einsperren darf. Dass sie unkontrolliert machen darf, was sie will. Deshalb haben in Bayern, wo das Gesetz bereits verabschiedet wurde, mehrfach bis zu 30.000 Menschen gegen dieses neue Polizeigesetz demonstriert.

Alle werden unter dem Gesetz leiden, angefangen bei Aktivisten oder Streikenden. In Frankreich, wo ein ähnliches Anti-Terror-Gesetz eingeführt wurde, wurde kurz darauf einer Reihe von Umweltschützern mit solchen Aufenthaltsverboten untersagt, an den Demonstrationen anlässlich des Klima-Gipfels in Paris teilzunehmen. Von Terroristen keine Spur. Dann wurde Linken und Gewerkschaftern verboten, 2016 gegen Macrons Verschlechterung der Arbeitsgesetze zu demonstrieren!

Auch Migranten würden unter dieser willkürlichen Macht der Polizei leiden, denn Vorurteile und Rassismus sind bei Teilen der Polizei tief verwurzelt. Wie viele Unschuldige wird man wegen Terrorverdacht willkürlich verhaften und einen Monat lang festhalten? Wie viele werden dadurch ihre Arbeit verlieren?

Und letztlich kann es jeden von uns treffen. Solche Gesetze bedeuten die Einschränkung der Freiheiten von allen. Sie können außerdem schnell politisch genutzt werden, zum Beispiel bei einem Regierungswechsel. In der Türkei kann mittlerweile jeder, der irgendwie die Regierung stört, als Terrorist abgestempelt und für unabsehbare Zeit eingesperrt werden.

Eben hierfür werden die Gesetze eingeführt. Ihr kapitalistisches System schafft in seiner Krise weltweit immer mehr Armut, Elend und Krieg. Es ruft zwangsläufig wachsende Unzufriedenheit und Wut hervor – und das wissen die Herrschenden. Deshalb wollen sie heute härtere Gesetze schaffen, mit denen sie bei Bedarf gegen Widerstand aus der Bevölkerung vorgehen können.
Und da brauchen wir gar nicht so weit gucken. Nehmen wir nur Sachsen-Anhalt, wo die AfD 24% der Stimmen erhalten hat und wo AfD-Politiker wie André Poggenburg bereits offen erklärt haben, ihren Einfluss in den Landesbehörden zu nutzen, um „linke Gewerkschaften“ unter Beobachtung zu stellen.
Wie lange wird es dauern, bis Politiker wie er die Gesetze nutzen, um im Namen der Terrorbekämpfung politisch unliebsame Gegner zu drangsalieren, Gewerkschafter, streikende Arbeiter…?

Was unsere Sicherheit angeht, so können wir Arbeiter auch hierbei nicht auf Staat und Polizei, sondern nur auf uns selbst zählen. Und das fängt damit an, dass wir uns nicht davon ablenken lassen, wer unsere tägliche Sicherheit am meisten bedroht:

Die kapitalistische Klasse, die uns ständig in der Angst leben lässt, unsere Arbeit und unseren Lohn zu verlieren. Deren Profitgier zu Arbeitsunfällen führt und unsere Gesundheit auf der Arbeit ruiniert. Und die für ihren Handel, ihre Rohstoffe und ihre Waffenverkäufe, bereit ist, Kriege anzuzetteln, die nicht zuletzt auch den Terrorismus hervorbringen.

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