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Nr. 10, Mai 2009 - Ihre Gesellschaft

Kurzarbeit: Die ganze Belegschaft als Tagelöhner?

Die Regierung will die Kurzarbeit ab dem 7. Monat für Unternehmen komplett kostenlos machen. Sie bezahlen ihre Arbeiter dann nur noch an den Tagen, an denen diese arbeiten.

An den Tagen der Kurzarbeit erhalten die Arbeitenden nur 60%, bzw. 67% ihres Gehalts, und zwar vom Arbeitsamt. Bislang müssen die Unternehmen wenigstens 40% der sogenannten „Lohnnebenkosten“ wie Krankenkassenbeiträge bezahlen. Doch nun sollen auch die zu 100% von der Arbeitsagentur übernommen werden.

Man sagt uns, dies sei der saure Apfel, in den wir zur Sicherung der Arbeitsplätze beißen müssten. Doch dies ist eine dreiste Lüge. Dieser Verzicht der Arbeitenden rettet ebenso wenig Arbeitsplätze wie all der Verzicht der Jahre vorher.
Alle großen Unternehmen, ob Bosch, BASF oder ThyssenKrupp machen beides: Sie alle haben Kurzarbeit und bauen tausende Arbeitsplätze ab. Die Kurzarbeit dient ihnen einzig dazu, dass sie die übrigen Arbeiter, die sie weiterhin behalten wollen, möglichst schlecht bezahlen und gleichzeitig flexibel einsetzen können... nicht selten mit mehr Stress als vorher und sogar Sonderschichten am Wochenende.

Der Konzernchef von ThyssenKrupp hat offen erklärt: „Wir müssen die Krise als Chance nutzen, um den Konzern für die Zukunft strategisch gut aufzustellen.“ Darum geht es: Die Konzerne nutzen die Krise aus, um dauerhafte Verschlechterungen in der Arbeiterschaft durchzusetzen.
Seit Jahren versuchen sie alles, dass ihre Arbeiter zum Nulltarif rund um die Uhr abrufbereit und an alle Höhen und Tiefen der Produktion angepasst sind. Statt fester Arbeitsverhältnisse mit festen Arbeitszeiten haben sie Stundenkonten, Schichtmodelle, befristete Verträge, Leiharbeit eingeführt.

Das geplante Gesetz zur Kurzarbeit ist der vorläufige Höhepunkt dieser Entwicklung: Die Firmen können jeden Arbeiter von einem auf den nächsten Tag zur Arbeit rufen oder nach Hause schicken, wie es ihnen beliebt, und müssen sie nur noch an den Tagen bezahlen, an denen viel zu tun ist.

100 Jahre zurück?

Die gesamte Belegschaft bekommt so den Status von Leiharbeitern, Tagelöhnern – jeder Schwankung der Produktion unterworfen, auf die sie keinen Einfluss hat; ohne zu wissen, an wie vielen Tagen man arbeitet und wie viel Geld man am Ende des Monats erhält.

Für die Konzerne ist die Krise eine „Chance“, wieder Arbeitsbedingungen zu schaffen wie vor 100 Jahren. Doch dies war auch die Zeit der größten Arbeiterkämpfe, die Deutschland je erlebt hat... und in der diese Konzerne das Fürchten lernten.

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