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Nr. 38, Januar 2012 - Leitartikel

Mehr Arbeit? Wohl eher mehr Armut!

Wir sollen uns darüber freuen, wie gut es uns geht! Dank der blühenden deutschen Wirtschaft gebe es so wenig Arbeitslose wie seit 20 Jahren nicht. Das zumindest erzählen sie uns.
Die arbeitende Bevölkerung aber kennt nur allzu gut die Wahrheit hinter dieser Statistik. Wir alle erleben, wie überall Vollzeitarbeitsplätze vernichtet werden und dafür Teilzeit- und Minijobs entstehen, die für die Bosse billiger sind. Statt einer Vollzeit-Verkäuferin 2 Minijobs, statt 2 Vollzeit-Altenpflegern 3 Teilzeitkräfte: Kein Wunder, dass es so viele Jobs gibt wie noch nie… nur dass man von ihnen nicht leben kann!

Ihr Rekord an Arbeitsplätzen bedeutet damit für uns einen Rekord an Armut. Er bedeutet, dass mittlerweile über 3 Millionen Menschen in Deutschland unter der Armutsgrenze leben, obwohl sie arbeiten gehen.
Alle Regierungen der letzten Jahre sind für diese Entwicklung mitverantwortlich, von Schröders SPD-Grünen Regierung bis zu Merkels CDU-FDP-Koalition. Sie haben die Gesetze für Minijobs, Leiharbeit und Teilzeit gelockert und den Unternehmen sogar Anreize zur Schaffung von Niedriglohnjobs gegeben. Besonders verhängnisvoll war die Einführung der HartzIV-Gesetze unter Schröder, mit denen die Arbeitslosen gezwungen werden, jede Arbeit anzunehmen, egal ob es nur Teilzeit ist und vor allem, egal wie schlecht sie bezahlt wird.

Ein Traum für die Kapitalisten! Auf diese Weise haben sie alle Löhne drücken können, auch bei den Vollzeitstellen. In NRW verdienen mittlerweile 10 % der Lohnabhängigen weniger als 6,50 Euro die Stunde. Viele müssen trotz Arbeit noch HartzIV beantragen. Das heißt: Die Unternehmen machen Extra-Gewinne, indem sie die Kollegen zu Billiglöhnen ausbeuten, und dann lassen sie sich noch einen Teil des Lohns von den Steuern bezahlen!

Nicht alle Beschäftigten sind in solchen Extremlagen. Doch keiner ist sicher davor, dass es ihm nicht morgen ebenso ergeht. Und nach und nach wird es außerdem für uns alle immer schwerer, mit unserem Lohn klar zu kommen. Denn wegen der steigenden Preise wird er immer weniger wert. Für diesen so sinkenden Lohn aber sollen wir gleichzeitig immer mehr und immer schneller arbeiten.

Steigende Arbeitshetze, immer mehr Teilzeit- und Minijobs, schlechtere Löhne und wachsende Armut – das ist das „Jobwunder“ für die arbeitende Bevölkerung. Deshalb geht es den deutschen Unternehmen und ihren Profiten so gut. Und da sollen wir uns über diese starke, profitable deutsche Wirtschaft freuen? Das wäre, als wenn sich das abgemagerte Pferd über seinen Bauern freut, der immer fetter wird, weil er sein Pferd immer mehr schindet!
Sich über die „starke deutsche Wirtschaft“ zu freuen heißt sich darüber zu freuen, dass hier die Schere zwischen Arm und Reich derzeit so stark auseinandergeht wie in keinem anderen Land Europas. Dass in diesem reichen Land der ärmere Teil der männlichen Bevölkerung anscheinend sogar weniger lange lebt als noch vor 10 Jahren! Und das in einer Zeit, in der dank der modernen Medizin alle Menschen länger leben sollten.

All dies ist die Folge des regelrechten Krieges, den die Reichen, die kapitalistische Klasse gegen uns, gegen die gesamte arbeitende und ärmere Bevölkerung führen. Und damit werden sie nicht aufhören. Denn es ist ihr Mittel, trotz weltweiter Krise ihre Profite und ihre gigantischen Reichtümer weiter zu vergrößern.

Für die Arbeitenden ist es lebenswichtig, dass sie nicht länger nur Opfer sind, sondern dass sie zum Gegenangriff übergehen. Denn die arbeitende Bevölkerung besitzt keine großen Aktienpakete oder Immobilien. Wir müssen von dem leben können, was wir mit unserer Arbeit verdienen.
Und dafür müssen wir es schaffen durchzusetzen, dass Entlassungen verboten werden und die vorhandene Arbeit ohne Lohnverlust unter allen aufgeteilt wird, sodass jeder einen festen Arbeitsplatz hat. Und dass man bei jedem Job so viel verdient, dass man von seinem Lohn vernünftig leben kann.

Das ist unmöglich? Nein, unmöglich ist zu glauben, dass es für uns wieder besser werden kann, wenn wir uns nicht gemeinsam wehren und kämpfen.

Das Rote Tuch
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