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Nr. 113, November 2018 - Leitartikel

Benzin, Miete, Strom, Lebensmittel… Wenn die Preise steigen, müssen alle Löhne automatisch mitsteigen!

Alles wird teurer, Mieten, Lebensmittel und ganz besonders der Sprit. Um 20% ist der Preis für Diesel in den letzten drei Monaten gestiegen! Monat für Monat verschlingt allein der Weg zur Arbeit ein immer größeres Stück von unserem Lohn. Und jetzt kommen auch noch die Fahrverbote!

Regierung und Autokonzerne erwarten nun ernsthaft, dass zehntausende Arbeiter und kleine Selbstständige irgendwie Geld oder Kredite auftreiben, um sich ein neues Auto zu kaufen. Für viele ist das schlicht unbezahlbar! Ihnen bliebe dann nur, alle gesperrten Bereiche samt A40 in ewig langen Umwegen zu umfahren. Und das soll dann die Umweltverschmutzung bekämpfen?

Die betrügerischen Autokonzerne müssen für nichts aufkommen. Im Gegenteil: Erst hatte die Regierung jahrzehntelang Werbung gemacht, dass wir die „umweltfreundlichen“ Diesel kaufen. Und nachdem sich das als Betrug entpuppt hat, wirbt sie dafür, dass wir Euro-Norm-6-Autos kaufen… und den Autobossen weitere Gewinne bescheren.

Vor allem für größere Firmen mit ihren LKW- und Dienstwagenflotten plant die Politik außerdem Ausnahmen vom Fahrverbot und finanzielle Unterstützung. Für uns Arbeiter jedoch gibt es keine Hilfen. Wir werden gleich zwei Mal ausgeraubt: von der Autoindustrie – und von den Ölkonzernen und Spekulanten, die seit einem Jahr die Spritpreise nach oben treiben.

Wir fahren nicht aus Spaß jeden Tag durch die Gegend, sondern weil wir zur Arbeit müssen. Und eigentlich müssten für unsere Fahrtkosten und den Zeitaufwand die Unternehmer aufkommen, für die wir arbeiten…und nicht wir. Denn genau wie Arbeitskleidung, Werkzeug oder Material ist unsere Fahrt zur Arbeit notwendige Vorbedingung, damit wir für den Betrieb arbeiten können. In großen Werken gab es früher Fahrtkostenzuschüsse, Wegestunden und Werksbusse, die Arbeiter kostenlos zur Arbeit gefahren haben. Stattdessen gehen heute die Fahrtkosten und die immer längeren Fahrzeiten vollständig zu unseren Lasten. Und mit den steigenden Benzinpreisen wird uns obendrein ein immer größerer Teil des Lohns dafür weggenommen!

Der Sprit ist nicht das einzige, was teurer wird. Alles wird teurer: Heizkosten, Strom, Lebensmittel – und ganz besonders die Mieten. Immer mehr schmelzen Lohn und Rente unter den steigenden Lebenshaltungskosten zusammen. Immer mehr müssen Schulden machen, weil es nicht einmal für das Nötigste reicht. Jeder zehnte ist mittlerweile überschuldet.

Allein im letzten Jahr sind 35% mehr Rentner über 70 in die Überschuldung geraten. Ärmere Rentner, die genau wie die Arbeitenden mit Niedriglöhnen von den steigenden Mieten regelrecht erdrückt werden. Viele von ihnen müssen jetzt schon die Hälfte ihres Einkommens für die Kaltmiete aufbringen. Wie soll man da noch alles andere bezahlen?

Im Gegensatz zu den Kapitalisten, die haufenweise Aktien, Grundbesitz und Immobilien besitzen, haben wir nur unseren Lohn. Davon müssen wir – die wir die ganze Gesellschaft am Laufen halten – vernünftig leben können!

Die Unternehmen können die steigenden Preise weitergeben. Wenn die Transportpreise steigen, erhöhen die Supermärkte die Lebensmittelpreise. Wenn die Strompreise steigen, erhöhen die Betriebe ihre Verkaufspreise. Wir aber können nichts weitergeben. Wir haben mit jeder Preiserhöhung weniger im Portemonnaie.

Auf die Preise haben wir Arbeiter keinen Einfluss. Das Einzige, worauf wir Einfluss nehmen können, sind unsere Löhne. Denn hier haben wir ein direktes Druckmittel: den Streik. Für höhere Löhne zu kämpfen ist unsere einzige Chance zu verhindern, dass wir für die steigenden Preise den Kopf hinhalten.

Über 50% der Arbeiter haben keinen Tarifvertrag mehr. Alleine aber haben sie es viel schwerer, sich zu wehren und bekommen daher oft jahrelang keinen einzigen Cent Lohnerhöhung. Auch und gerade deshalb müssen wir auf Dauer eine allgemeine Koppelung der Löhne an die Preise erkämpfen: Alle Löhne, Renten und Sozialhilfen müssen automatisch genauso viel steigen, wie die Lebenshaltungskosten steigen.

Niemand wird uns den Kampf hierfür abnehmen. Wir brauchen nicht zu hoffen, dass irgendwelche neuen Politiker oder eine neue Regierung die Dinge für uns regeln. Das kann uns nur neue Enttäuschungen bereiten.
Nehmen wir doch nur die AfD: Wie lange brüllen sie schon „Merkel muss weg“ und tun so, als wäre dies die wichtigste Veränderung für uns. Jetzt geht Merkel tatsächlich. Doch wird unser Leben dadurch besser?

Im Gegenteil: Diejenigen, die sich jetzt für Merkels Nachfolge in Stellung bringen, lassen erahnen, dass wir uns warm anziehen können. Denn ein Friedrich Merz zum Beispiel – Millionär, Aufsichtsratsvorsitzender des Heuschrecken-Finanzkonzerns Blackrock und in seiner letzten Amtszeit Verfechter der 42-Stunden-Woche und der Abschaffung des Kündigungsschutzes – lässt keine Zweifel daran, für wen er Politik machen und wen er dafür angreifen wird.

Ebenso wenig übrigens wie die Politiker der selbsternannten „Alternative“ AfD, wie Alice Weidel zum Beispiel, eine Unternehmensberaterin, die für die berüchtigte Bank Goldman Sachs arbeitete und Spendengelder von Bossen der Pharmaindustrie kassiert.

Nein, wir Arbeitenden haben von „oben“ keine Rettung zu erwarten. Den Kampf für unsere Interessen müssen wir selber in die Hand nehmen.

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