Startseite > Das Rote Tuch > 97 > Le Pen: Todfeindin der Arbeiter – Macron: nur für die Kapitalisten eine (...)

Nr. 97, Mai 2017 - Leitartikel

Le Pen: Todfeindin der Arbeiter – Macron: nur für die Kapitalisten eine Lösung

Fast 34% der Stimmen hat die rechtsextreme Kandidatin Le Pen bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich erhalten, gegen 66% für ihren Gegenkandidaten Macron. Damit hat sie die Wahl zwar eindeutig verloren. Doch die rechtsextreme Front National hat so viele Stimmen erhalten wie noch nie – über 10 Millionen. Und das ist eine bedrohliche Entwicklung, für uns alle!

Le Pen wirbt für nationalistische Abschottung. Sie ruft „Frankreich zuerst“ und schürt ein Gefühl von Gegnerschaft zwischen Menschen verschiedener Länder. Und sie schiebt den Migranten die Schuld für alle Probleme in die Schuhe – genau wie Trump oder die AfD.
Mit dieser Politik lösen diese Rechtspopulisten keins unserer täglichen Probleme. Doch sie vergiften unseren Alltag und schwächen uns, weil sie einen Keil zwischen uns Arbeiter verschiedener Herkunft treiben wollen… während die Herrschenden alle Arbeiter seelenruhig weiter angreifen. Allein schon deshalb greift ihre Politik, die einen Teil der Arbeiter angreift, letztlich alle Arbeiter an.

Wieso aber hat Le Pen so viele Stimmen bekommen? Zum einen, weil sie eine Zeit lang Vieles versprochen hat: die Rente mit 60, die Rücknahme der Verschlechterungen beim Kündigungsschutz... Natürlich hatte diese Demagogin nicht vor, irgendwas davon einzuhalten. Auch sie ist eine Dienerin des großen Kapitals.

Doch viele Menschen haben genug von den herrschenden Parteien, vor allem von der konservativen und der sozialdemokratische Partei, die sich seit Jahrzehnten an der Regierung abgewechselt und das Leben der arbeitenden Bevölkerung verschlechtert haben. Le Pen hat ihnen gesagt: „Alle anderen großen Parteien habt ihr ausprobiert, sie haben euch bitter enttäuscht. Also wählt mich, mich habt ihr noch nicht ausprobiert.“

Le Pen hat wie Trump so getan, als wäre sie eine Gegnerin der politischen Eliten. In Wahrheit sind die Rechtspopulistischen ein letzter Rettungsanker für die kapitalistische Klasse. Dank ihnen können sie ihr politisches System aufrecht halten, wenn sich alle anderen bürgerlichen Parteien abgenutzt haben.
Die konservative und die sozialdemokratische Partei mit ihren ständigen Angriffen auf die Arbeiter tragen die Hauptverantwortung dafür, dass Le Pen so stark geworden ist. Doch auch die Gewerkschaften und nicht zuletzt die kommunistische Partei in Frankreich haben dazu beigetragen.

Die Kommunistische Partei war lange Zeit die stärkste Partei in Frankreich. Sie hatte 30% der Stimmen und sah sich als „natürliche“ Vertreterin der Arbeiter. Doch seit Jahrzehnten hat sie aufgehört, für die Solidarität und den Zusammenhalt aller Arbeiter einzutreten. Sie redet nicht mehr von den Interessen der Arbeiter, sondern von den Interessen des Volkes und des „Standortes Frankreich“. Sie hat die rote Fahne der Arbeiterbewegung durch die Nationalfahne ersetzt, redet von Protektionismus und nationaler Abschottung.
Sie hat vielen Arbeitern eingeprägt, dass sie bloß zu wählen brauchen – um den Rest würde sie sich kümmern. All das hat zu der Entwicklung beigetragen, an deren Ende die nationalistische Millionärin Le Pen, diese Feindin der Arbeiter, sich bei einigen als Sprachrohr des kleinen Mannes ausgeben konnte.

Der neue Präsident Macron seinerseits hat bereits bewiesen, dass er ein Gegner der Arbeiter ist und ist dort entsprechend verhasst. Viele haben sich zu Recht geweigert, sich zwischen ihm und Le Pen zu entscheiden. Ein Rekord von über 25% ist gar nicht wählen gegangen. Weitere 12% haben ungültig gewählt. Diesem erklärten Feind der Arbeiter wollten viele nicht ihre Stimme geben.

Von 2014 bis 2016 war Macron Wirtschaftsminister unter Präsident Hollande. In diesen zwei kurzen Jahren hat er die Sonntagsarbeit in großem Stil eingeführt. Er hat ein "Arbeitsgesetz" inspiriert, das das Wenige zerstört, was im Arbeitsrecht die Arbeitenden geschützt hat. Das unter anderem den Kündigungsschutz verringert und den Firmen monatelang Arbeitstage von 12 Stunden erlaubt.
Er war in der Regierung, die Polizei und Wasserwerfer einsetzte gegen die hunderttausenden Arbeiter, die vor einem Jahr über Monate gegen eben dieses Gesetz protestierten.

Und schon im Wahlkampf hat Macron angekündigt, dass er genau so weiter machen will. Er will den Kündigungsschutz quasi abschaffen, die Arbeitszeiten verlängern, französische Hartz-Reformen durchsetzen und 120.000 Stellen im Öffentlichen Dienst vernichten. Das alles – wie er erklärt – notfalls auch gegen das Parlament, mit Hilfe von Notverordnungen des Präsidenten.

Die Politiker in Deutschland feiern Macron und sprechen von einem Sieg Europas. Doch wir können keineswegs beruhigt sein. Erstens, weil er sofort die Arbeiter angreifen wird. Und dann, weil seine Politik dadurch den Ekel vor den herrschenden Politikern nur verstärken kann – was die Rechtsextremen weiter zu stärken droht.

Eine ähnliche Entwicklung erleben wir, wenn auch unterschiedlich schnell, in vielen Ländern Europas. Die wirtschaftliche Krise, in der die Kapitalisten uns zum Erhalt ihrer Profite immer stärker auspressen müssen, führt zu einer politischen Krise. Zu hoffen, durch Wahlen könne man verhindern, dass die Rechten stärker werden, ist wie darauf zu hoffen, dass notorische Brandstifter das Feuer löschen würden.

Keine Regierung wird die materiellen und politischen Gefahren, die auf uns lasten, beseitigen. Wir Arbeiter werden selber dafür kämpfen müssen. Dafür ist es lebenswichtig, dass in der Arbeiterklasse wieder ein Bewusstsein dafür entsteht, dass es nur einen Weg gibt, sich der Verschärfung der Ausbeutung und dem Verfall des gesellschaftlichen Lebens entgegenzustellen: Wenn wir Arbeiter wieder bewusst den Kampf der Arbeiterbewegung gegen den Kapitalismus aufnehmen, mit dem letztlichen Ziel, der Macht der kapitalistischen Klasse ein Ende zu setzen.

Also, auch in Deutschland: Beschränken wir uns nicht darauf nachzudenken, wo wir unser Kreuz machen. Nutzen wir die Zeit des Wahlkampfs, um zu diskutieren, was für eine Politik wir Arbeitenden brauchen und wie wir selber wieder anfangen können, für sie einzutreten.

Das Rote Tuch
Archiv