Startseite > Das Rote Tuch > 32 > AKW: Die dringendste Sicherheitsfrage sollen wir vergessen

Nr. 32, Juni 2011 - Ihre Gesellschaft

AKW: Die dringendste Sicherheitsfrage sollen wir vergessen

Mit viel Brimborium hat die Regierung den Atomausstieg beschlossen. Was übrigens noch lange nicht heißt, dass er auch kommt. Noch bis 2022 sollen nämlich viele AKWs voll in Betrieb bleiben. Damit kann in den nächsten 10 Jahren jede Regierung jederzeit beschließen, diese Atomkraftwerke nach 2022 einfach weiter laufen zu lassen – und schon ist der Atomausstieg rückgängig gemacht. Genau das hat Merkels Regierung vor 2 Jahren getan.

Der ganze Wirbel um den angeblich so schnellen und „endgültigen“ Atomausstieg hat der Regierung jedoch dabei geholfen, dass über die drängendste, wichtigste Frage keiner mehr spricht: Darüber, wie man die Sicherheit in den ganzen AKWs verbessert, die ja noch mindestens 10 Jahre laufen.

Wollen die Politiker uns etwa glauben machen, die deutschen AKWs seien schon so sicher wie möglich und weitere Sicherheitsvorkehrungen nicht nötig? Das hat man von Japan auch gedacht. Japan galt als eines der sichersten Länder im Bereich der Atomkraft. Und was hat sich gezeigt? In Wahrheit wurden beim Stromkonzern Tepco Sicherheitsnormen gesenkt oder nicht eingehalten, Anlagen nicht gewartet, Sicherheitsprotokolle gefälscht… während die Regierung vor alle dem die Augen verschlossen hat.

Und man sollte nicht glauben, dass die Stromkonzerne in Deutschland verantwortungsbewusster handeln. Es ist gang und gäbe, in deutschen AKWs einen Großteil der Arbeiten von billigeren Leiharbeitern und Subfirmen erledigen zu lassen, die mit dem Werk zwangsläufig weniger vertraut sind… und die im Schnitt einer doppelt so hohen Strahlung ausgesetzt werden wie die Stammbelegschaft!
Gleichzeitig werden bei Wartung und Instandhaltung immer größere Risiken eingegangen. Früher wurden zum Beispiel Verschleißteile nach einer gewissen Lebensdauer vorsorglich ausgetauscht. Heute warten die Stromkonzerne, bis das Verschleißteil tatsächlich kaputt geht. Dabei wissen sie, wie viel größer das Risiko von Störfällen durch solche Sparmaßnahmen wird.

Das ist nur die Spitze des Eisberges. Die schreckliche Liste der Entscheidungen, bei denen Profit vor Sicherheit steht, ist endlos – das Meiste gelangt nur nie an die Öffentlichkeit. Und es ist abzusehen, dass die Gefahren in den nächsten Jahren steigen werden, weil die Stromkonzerne noch weniger Geld in die Sicherheit ihrer Anlagen stecken werden, wenn das Werk in 10 Jahren vielleicht abgeschaltet wird.

Wir dürfen den Konzernen nicht die alleinige Kontrolle überlassen! Ihr Streben nach Profit ist lebensgefährlich für die gesamte Bevölkerung. Das müssen viele in Fukushima erleben. Deshalb muss die Bevölkerung das Recht und die Möglichkeit haben, ihre Machenschaften zu kontrollieren.
In den Atomkraftwerken arbeiten zehntausende Arbeiter, Techniker, Ingenieure und Wissenschaftler: Sie müssen das Recht erhalten, alles, was sie mitbekommen, offen zu erzählen – ohne dafür ihren Job zu riskieren. Außerdem müssen alle aus der Bevölkerung, die es möchten, Einblick in die Werke erhalten und sie überwachen dürfen: die dortigen Sicherheitsmaßnahmen und deren Umsetzung, die Kontrollen...

Keine Entscheidung darf mehr hinter verschlossenen Türen gefällt werden. Alles muss offen und unter der Kontrolle der dort Arbeitenden und der Bevölkerung entschieden werden. Die Atomkraftwerke müssen für die Bevölkerung vollkommen durchsichtig werden. Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gehört ein für allemal abgeschafft, denn es schützt einzig die Konzerne und ihre Machenschaften.

Das Rote Tuch
Archiv