Startseite > Das Rote Tuch > 174 > Wir brauchen noch mehr und entschlossenere Streiks!

Nr. 174, März 2024 - Leitartikel

Wir brauchen noch mehr und entschlossenere Streiks!

Endlich streiken einmal Viele konsequenter für höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, und schon kriegen Politiker, Unternehmer und Medien Schnapp-atmung. Die Streiks wären „unverhält-nismäßig“ und „verantwortungslos“, tönen sie – und versuchen immer wieder, sie zu verbieten.

Unverhältnismäßig? Die Lufthansa hat den dritthöchsten Gewinn ihrer Firmengeschichte. Ihren Beschäftigten aber wollen sie nicht einmal die Inflation ausgleichen. Das ist unverhältnismäßig!
Verantwortungslos? Die Regierungen haben bei Bus und Bahn über Jahre radikal Arbeitsplätze vernichtet und so unerträgliche Bedingungen geschaffen. Das ist verantwortungslos und nicht, wenn Arbeitende deshalb streiken.

In Belgien oder Frankreich streiken sie fünf Mal so häufig, selbst in Schweden drei Mal so oft wie in Deutschland. Doch kaum wird hier mal ein bisschen mehr gestreikt, tun Politiker und Wirtschaftsvertreter so, als würden die Wirtschaft und das Land zusammenbrechen.

Sie erklären, man müsse verhandeln statt zu streiken. Klar! Dann könnten sie wochenlang an Konferenz-Tischen sitzen und reden, ohne irgendetwas herauszurücken... während die Arbeiter*innen weiter schuften. Entschlossene Streiks sind im Gegenteil die Bedingung für ernsthafte Verhandlungen. Sie sind unser Druckmittel, um in Verhandlungen überhaupt etwas durchzusetzen.

Um die Streikenden kleinzukriegen, versuchen die Herrschenden, die übrige Bevölkerung gegen sie aufzuhetzen. Lassen wir das nicht zu! Natürlich sind Streiks insbesondere bei Bus und Bahn eine Herausforderung für alle, die darauf angewiesen sind. Doch die Streikenden kämpfen letztlich für uns alle.

Die Arbeitsbelastung nimmt überall zu. Und überall nutzen die Bosse Inflation und Krise, um unsere Reallöhne zu senken. Jede Branche, in der die Arbeitenden daher Lohnerhöhungen oder mehr Freizeit zur Erholung erkämpfen, macht es auch allen anderen leichter, bessere Bedingungen durchzusetzen. Auch deshalb wollen die Unternehmer möglichst nichts herausrücken.

In der Stahlindustrie konnten die Kapitalisten im Dezember durchsetzen, dass sie die Arbeitszeit um drei Stunden erhöhen können. Seitdem wollen Unternehmer anderer Branchen ebenfalls mögliche längere Arbeitszeiten einführen. Auch die Deutsche Bahn und die Nahverkehrsbetriebe wollten dies gegen die Streikenden durchsetzen.

Entsprechend bekommen wir ständig die Propaganda zu hören, dass wir wegen des „Fachkräftemangels“ (den sie selber verursacht haben) mehr arbeiten müssten. Keine Woche vergeht, ohne dass ein Unternehmer oder CDU-Sprecher verkündet, wir würden „zu früh“ in Rente gehen. Keine Woche ohne Hetze gegen die angebliche „Faulheit“ der jungen Generation oder der Bürgergeldempfänger.

Sie wollen, dass wir ALLE noch mehr, länger und flexibler arbeiten – während gleichzeitig in vielen Branchen Stellen abgebaut werden. Nach dem Motto: Die einen entlässt man, die anderen müssen noch mehr arbeiten. Die Stahlindustrie macht es vor: Erst hat sie durchgesetzt, die Arbeitszeit erhöhen zu können. Und kurz darauf kündigt sie den Abbau tausender Stellen an.
Unser Gegenprogramm kann nur lauten: Aufteilung der Arbeit unter Allen, damit jeder Arbeit hat und alle weniger und kürzer arbeiten können!

Mit der sich verschlimmernden Wirtschaftskrise bereiten sich die Herrschenden darauf vor, uns härter anzugreifen. Eben deshalb wollen die Herrschenden es uns nach Möglichkeit noch schwerer machen zu streiken.
Ermutigt von deren Stimmungsmache haben Rechtsextreme begonnen, reihenweise anonyme Droh-Mails an die Gewerkschaften zu verschicken. In ihnen fordern sie, die Streiks zu beenden und drohen zum Teil sogar mit Anschlägen. Einmal mehr zeigt sich, was die Rechtsextremen sind: nämlich die brutalsten Verteidiger der Reichen.

Die Herrschenden und ihre Verteidiger werden auf allen Ebenen aggressiver. Auch deshalb können wir Arbeitenden es uns nicht mehr leisten, uns nur in dem von den Gewerkschaftsführungen vorgegebenen Rahmen zu wehren. So können wir uns nicht immer auf ein- oder mehrtägige Streiks beschränken, bei denen die Gegenseite von Vornherein weiß, wann der Streik wieder vorbei ist.

Und vor allem können wir uns nicht leisten, weiterhin alle getrennt zu streiken. Derzeit streiken an den Flughäfen getrennt voneinander die Flugbegleiter der Lufthansa, das Bodenpersonal der Lufthansa und das Sicherheitspersonal. Die Beschäftigten des Nahverkehrs und der Deutschen Bahn streiken getrennt voneinander. Der Einzelhandel ebenfalls. Dabei haben alle ähnliche Forderungen und viele sind sogar in der gleichen Gewerkschaft. Wie viel größere Macht hätten sie, wenn sie alle gemeinsam für die gleiche Forderung streiken würden!

Die Gewerkschaften beharren auf ihren zig getrennten Tarifverhandlungen. Doch das müssen wir überwinden, ohne oder gegen sie! Selbst mit entschlossenen Einzelstreiks schaffen wir es höchstens, Verschlechterungen zu verlangsamen. Doch mit gemeinsamen Kämpfen und mit Perspektiven wie die Erhöhung aller Löhne und Renten oder die Aufteilung der Arbeit unter Allen, die alle vereinen (Arbeitende aller Branchen, mit oder ohne Tarifvertrag, Arbeitssuchende, Rentner*innen), können wir das Kräfteverhältnis grundlegend verändern.

Nur in solchen, gemeinsamen Kämpfen können wir uns außerdem bewusst werden, über welch eine große Kraft wir als Arbeiterklasse verfügen. Dieses Bewusstsein ist lebenswichtig! Denn die herrschende Klasse treibt die Gesellschaft in rasantem Tempo in die Katastrophe. Und nur die Arbeiterklasse hat die Kraft und Möglichkeit, sie daran zu hindern – in dem sie die Geschicke der Gesellschaft selber in die Hand nimmt.

Das Rote Tuch
Archiv