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Nr. 44, Juli 2012 - Leitartikel

Die einen entlassen, die anderen doppelt ausbeuten?!?

Als die oberste Chefetage von Opel auf der Betriebsversammlung in Bochum zu einer ihrer stundenlangen Reden über die „schwierige Lage“ ansetzen wollte, verließen die 2000 Arbeiter von Opel geschlossen den Saal. Ihnen reichte die eine Aussage: Nämlich dass Opel Bochum eventuell 2016 schließen soll.

Das würde weitere 3000 Arbeiter bei Opel in die Arbeitslosigkeit schleudern, dazu zehntausende Arbeitende bei Subfirmen und Zulieferern. Es würde das ganze Ruhrgebiet weiter verarmen.

Doch General Motors (GM) behauptet, es gehe vielleicht nicht anders: Opel sei in der Krise, weil immer weniger Autos verkauft würden und es daher „zu viele“ Werke in Europa gäbe. Das ist eine glatte Lüge. Seit 10 Jahren verkauft Opel quasi konstant zwischen 1,2 und 1,3 Millionen Fahrzeuge pro Jahr.

In Wahrheit geht es GM nicht darum, weniger zu produzieren, sondern einzelne Standorte zu schließen und dafür an allen anderen Standorten mehr (!) Autos zu produzieren. Dafür sollen alle Werke in Europa zukünftig auch nachts produzieren, sollen ihre Arbeiter mehr, flexibler und auch am Wochenende arbeiten – und das auch noch für weniger Geld.

Die einen sollen also mehr, schneller und sogar nachts und am Wochenende Autos bauen und sich dabei die Gesundheit ruinieren, während Opel die anderen entlässt, weil für sie angeblich „keine Arbeit“ da ist! Und die Krise ist der Vorwand, um das durchzusetzen.

Das geht schon seit Jahren so. Innerhalb der letzten 10 Jahre hat Opel in seinen drei Endmontage-Werken fast zwei Drittel der Arbeitsplätze abgebaut. Aber die Zahl der produzierten Autos ist nicht um zwei Drittel zurückgegangen. Und zwar, weil stattdessen jeder Arbeiter deutlich mehr arbeiten muss. Vor 10 Jahren noch wurden hier pro Opel-Arbeiter 32 Autos hergestellt, heute sind es schon 62 Autos – fast doppelt so viel!

Und die Erfindungsgabe der Chefetage kennt dabei keine Grenzen: Sie erhöhen die Zahl der Handgriffe pro Minute, lagern Arbeiten an Sub- und Leihfirmen aus und verleihen das Stammpersonal zwischen den Werken – europaweit.

Mal mussten Bochumer Arbeiter nach Rüsselsheim. Umgekehrt wurden im Frühjahr 90 Arbeiter aus dem polnischen Werk für drei Monate nach Bochum geschickt, weil hier so viel Arbeit war. Als Lohn haben sie in Bochum übrigens trotzdem nur ihren polnischen Lohn bekommen… 770 Euro brutto!

Diese ständig verschärfte Ausbeutung und wortwörtlich grenzenlose Flexibilität erlaubt es GM, einzelne Werke ganz zu schließen: Die Übrigen sollen ihre Produktion nun mit übernehmen.

Dank dieser Ausbeutung und Verarmung seiner Arbeiter macht General Motors Milliardengewinne. 4,7 Milliarden im vorletzten Jahr und im letzten sogar 7,6 Milliarden. Diese Gewinne aber steckt GM nicht wieder in die Produktion und erst recht nicht in Arbeitsplätze und Löhne. Nein, wie jeder Konzern heute spekuliert GM mit seinem Vermögen an der Börse.

Als einer der größten und mächtigsten Konzerne der Welt ist General Motors damit einer der direkten Verantwortlichen der sinkenden Kaufkraft sowie der Spekulation und der Finanzkrise. Doch die Folgen davon, nämlich dass heute Produktion und Verkäufe nicht steigen und morgen vielleicht wirklich zurückgehen – diese Folgen sollen die Arbeiter von GM bezahlen.

Es gibt keinen Grund, warum die Arbeiter sich darauf einlassen sollten. Statt Werke zu schließen und zu entlassen, kann GM die Produktion auf alle Standorte verteilen. Und falls dann in Zukunft tatsächlich weniger Autos verkauft würden, bräuchte man nur überall das Arbeitstempo wieder verringern, an Wochenenden und in Nächten nicht zu produzieren… und schon bräuchte man wieder doppelt so viele Arbeiter, könnte man die Arbeit unter doppelt so vielen aufteilen – bei gleichem Lohn. GM hat genug Gewinne, um das zu bezahlen.

Doch das werden wir erkämpfen müssen, nicht nur bei GM. Überall hagelt es Pläne von Stellenabbau und Entlassungen, werden in dieser absurden kapitalistischen Wirtschaft die Existenzbedingungen derjenigen zerstört, die arbeiten und den Reichtum schaffen… damit sich eine Minderheit trotz Krise weiter bereichern kann. Gemeinsam das Verbot von Entlassungen und die Aufteilung der Arbeit unter Allen ohne Lohnverlust zu erkämpfen – das ist die einzige Möglichkeit, um unser aller Arbeitsplätze zu retten und die teilweise unerträgliche Arbeitsbelastung wieder zu verringern.

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