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Nr. 80, November 2015 - Ihre Gesellschaft

Statt endlosem Gerede über Überforderung und Obergrenzen – massive Einstellungen im Öffentlichen Dienst!

Es gäbe so viele wichtige und dringende Sachen für die Flüchtlinge zu tun. Doch stattdessen diskutieren die großen Parteien seit Wochen ununterbrochen immer nur über eins: Wie man verhindern könne, dass weitere Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Jetzt will man afrikanische Diktatoren dafür bezahlen, dass sie versuchen, mit ihrer Armee die Flüchtlinge im Land festzuhalten. Dasselbe soll der türkische Präsident Erdogan tun.

Die CSU und Teile der CDU kommen außerdem jede Woche mit einer neuen Forderung: Man solle Flüchtlinge in Massenlager an der Grenze stecken und sie im Schnellverfahren wieder abschieben.
Man solle ihnen verbieten, ihre Kinder nachzuholen, selbst wenn diese noch mitten im Kriegsgebiet leben. Dazu immer wieder die Diskussion um eine „Obergrenze“ für Flüchtlinge. Und bei jeder neuen Forderung des rechten Flügels dauert es nur einige Wochen, bevor CDU und SPD nachgeben und einen Teil davon umsetzen.

CDU und SPD wissen dabei ganz genau: Keine dieser Maßnahmen wird die Menschen daran hindern, vor Krieg und Unterdrückung zu fliehen. Ja selbst wenn, wie die CSU fordert, an jedem Grenzübergang ein Wachposten stehen und allen Flüchtlingen sagen würde: „Ihr dürft nicht mehr rein, unsere Obergrenze ist erreicht.“ Sollen wir etwa glauben, dass Flüchtlinge, die bereits tausende Kilometer lebensgefährliche Flucht und zig verschlossene Grenzen hinter sich haben, nun einfach umkehren und mit ihrer Familie wieder in den Bombenhagel oder die Arme islamistischer Banden zurückkehren?

Nein, keine ihrer Maßnahmen verringert die Zahl der Flüchtlinge. Sie machen nur die Lage der Flüchtlinge noch schlimmer. Sie bestärken außerdem die Rechten darin, noch mehr Propaganda gegen die Flüchtlinge zu machen. Und sie lenken von dem eigentlichen Problem ab: Nämlich davon, dass die Regierung viel redet, aber fast nichts Konkretes tut.
Die Regierung lässt die Städte mit fast allem allein. Während sich die Kommunen um die Unterbringungen von hunderttausenden Flüchtlingen kümmern, hat der Bund – der ganz andere Möglichkeiten hätte – gerade einmal zehntausend Plätze für Flüchtlinge geschaffen.

Die Städte wären auch nicht überfordert, wenn die Regierung ihnen nicht seit Jahren ein Sparprogramm nach dem anderen aufgezwungen hätte: In einer Stadt wie Essen sind in den letzten zehn Jahren 16 Grundschulen geschlossen worden. Und jeder zweite städtische Arbeitsplatz – vom Angestellten im Jugend- oder Bürgeramt bis zur Köchin in der Kita – wurde nicht mehr wiederbesetzt.
Den alten Zustand vor diesen Sparplänen wiederherzustellen, wäre das absolute Minimum, was die Städte jetzt bräuchten. Doch was passiert? Für die 690 Arbeitsplätze, die in Essen in den letzten fünf Jahren vernichtet wurden, werden jetzt sage und schreibe 65 Beschäftigte neu eingestellt – und die zum Teil nur befristet.

Der Bund muss den Städten das Geld für die hunderttausenden Arbeitsplätze zurückgeben, die in den letzten Jahren gestrichen wurden – und die auch vor der Ankunft der Flüchtlinge schon schmerzlich gefehlt haben: Erzieherinnen, Lehrer, Übersetzer, Verwaltungsangestellte, Sozialarbeiter, Therapeuten, aber auch Handwerker, Maurer, Hausmeister und Köche. Das würde – anders als all ihre erniedrigenden Gesetze – tatsächlich etwas ändern, und zwar für die Flüchtlinge und für uns alle.

Denn letztlich ist es für uns alle wichtig, dass die öffentlichen und die sozialen Dienste, die der einfachen Bevölkerung nutzen, nicht immer weiter kaputt gespart werden. Doch das bedeutet, nicht an die Schwächsten, sondern an die Großkapitalisten dranzugehen: An die, die allein durch ihre Steuer-Flucht den EU-Staaten jährlich 1.000 Milliarden Euro unterschlagen. Allein von dieser Summe könnte man nicht eine Million, sondern 50 Millionen Flüchtlinge anständig versorgen.

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