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Nr. 57, Oktober 2013 - Internationales

Flüchtlingsdrama in Lampedusa: Die kriminelle Politik der europäischen Regierungen

Das fürchterliche Schicksal der über 300 Flüchtlinge, die am 3. Oktober vor der italienischen Insel Lampedusa ertrunken sind, erinnert daran, welches mörderische Drama sich seit mehreren Jahren an der Grenze Europas abspielt. Das Mittelmeer, das jahrhundertelang die Menschen vereint hat, trennt sie jetzt wie eine gewaltige Mauer. Der kleine Streifen Wasser zwischen der tunesischen und der europäischen Küste ist zu einem Massengrab geworden.

Verantwortlich für diesen regelrechten Massenmord ist die Politik der europäischen Regierungen. Sie haben über Jahre alle legalen Wege, nach Europa zu kommen, geschlossen. Sie haben die Außengrenzen Europas in eine Festung verwandelt, so dass den Flüchtlingen keine andere Wahl bleibt, als sich in die Arme geldgieriger Schleuser, auf lebensgefährliche Wege in Containern ohne Sauerstoff oder kleinen Booten über das Mittelmeer zu begeben.

Sogar diesen Flüchtlingen dann zu helfen, haben die europäischen Regierungen unter Strafe gestellt: Mehr als einmal wurden bereits italienische Fischer vor Gericht gestellt, weil sie Bootsflüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet haben.

Die Flüchtlinge, die es trotz allem bis Lampedusa schaffen, werden sofort in Lager gesteckt. Und zwar in Lager mit unbeschreiblichen Zuständen, die vor allem vollkommen überfüllt sind, weil die europäische Grenzpolitik die kleine italienische Insel zum Tor Europas gemacht hat. Ein Tor, durch das die Flüchtlinge hindurch müssen, über das sie allerdings fast nie hinaus kommen. Denn die meisten von ihnen werden von Italien direkt wieder in ihre „Heimat“, nach Syrien, Libyen, Afghanistan, Eritrea oder in den Kongo zurückgeschickt.

Auch die wenigen, die bleiben dürfen, kommen über Italien nicht hinaus. Denn die sogenannte Drittstaatenregelung der EU legt fest, dass die Flüchtlinge im ersten EU-Land, das sie betreten, Asyl beantragen müssen. Vor allem Deutschland ohne EU-Außengrenzen profitiert von dieser Regelung. Hier kommen damit nämlich so gut wie keine Flüchtlinge an. So kann sich das reiche Deutschland seine Einwanderer selber aussuchen. Kein Wunder, dass CSU-Innenminister Friedrich sofort betonte, er sehe keinen Grund, an dieser europäischen Flüchtlingspolitik irgendetwas zu ändern.
Die einzige „europäische Solidarität“, die die deutsche Regierung bereit war zu verstärken, ist die Unterstützung… beim Vertreiben der Flüchtlinge.

Ja, keine Woche, nachdem der Tod der über 300 Flüchtlinge die ganze sinnlose Grausamkeit ihrer Festungs-Grenzen um Europa offenlegte, beschloss das Europa-Parlament, eben diese Grenz-Überwachung noch zu verstärken.
Italien verdreifacht sein Militär. Und für mehrere hundert Millionen Euro wird die EU Satelliten und Drohnen einsetzen, die quasi jeden Zentimeter des Gewässers überwachen. Damit die Flüchtlinge gar nicht erst in die Nähe der europäischen Grenze gelangen. Damit sie gleich auf hoher See sterben, wo niemand sie bemerkt.

Nichts davon aber wird die Verzweifelten, die vor Krieg und Verfolgung, vor Hunger, Elend und Hoffnungslosigkeit fliehen, davon abhalten, die Flucht nach Europa zu versuchen. Auch wenn die Hoffnung auf Erfolg noch so klein ist – es ist ihre einzige Hoffnung.

Die imperialistischen Länder Westeuropas tragen für diese Lage in den ärmeren Ländern einen bedeutenden Teil der Verantwortung. Sie haben ihren Reichtum und ihre Macht auf der (kolonialen) Ausbeutung Afrikas und Asiens aufgebaut. Bis heute plündern ihre Konzerne dort die Rohstoffe, den fruchtbaren Boden und die Arbeitskräfte aus.

Und auch mit ihrer Unterstützung von Diktatoren oder bewaffneten Rebellen, mit ihren direkten Militäreinsätzen wie in Afghanistan und mit ihrem massenhaften Verkauf von Waffen tragen Deutschland und die anderen Großmächte dazu bei, hunderttausende Männer, Frauen und Kinder in Flüchtlinge zu verwandeln.

Das Mindeste wäre, dass die großen EU-Staaten einen kleinen Teil ihres riesigen Reichtums einsetzen, damit diese Menschen – nachdem sie den Kugeln in Syrien oder dem Hungertod in Eritrea entkommen sind – nicht bei ihren verzweifelten Fluchtversuchen kurz vor Europa den Tod finden müssen.

Das Rote Tuch
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