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Nr. 108, Mai 2018 - Ihre Gesellschaft

Antisemitismus: Alle Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bekämpfen!

Die zwei Angriffe auf einen Israeli und einen Mann, der eine Kippa trug, haben öffentlich gemacht, wie sehr antisemitische Äußerungen und Angriffe zunehmen. Gerade in Deutschland läuft es einem dabei kalt den Rücken hinunter, angesichts der unsagbar schrecklichen Verbrechen, die hier an Millionen Juden begangen wurden. Doch leider: In einer Zeit, in der Rassismus und Abschottung überall stärker werden, ist es nicht verwunderlich, dass auch diese Form des Rassismus wieder zunimmt.

Weil die Angreifer in diesen beiden Fällen arabischer Herkunft waren, hat sich die AfD sofort darauf gestürzt. Die über 90% der antisemitischen Übergriffe, die von deutschen Rechtsradikalen verübt werden, stören sie nicht. Und natürlich auch nicht, wenn Migranten von Rechtsradikalen angegriffen werden. Hier aber schwingt sie sich plötzlich zur Verteidigerin der Juden auf und erklärt, Antisemitismus sei ein „muslimisches“ Problem, das Merkel mit den Flüchtlingen „importiert“ habe! Ein muslimisches Problem?
Zwei der Länder Europas, in denen antisemitische Übergriffe in letzter Zeit stark zugenommen haben, sind Ungarn und Polen, deren Regierungen wahrlich nicht dafür bekannt sind, dass sie viele muslimische Flüchtlinge aufnehmen.

In Ungarn hat Staatschef Orban eine Wahlkampagne dazu gemacht, dass jüdische Finanzmänner Europa angeblich gezielt mit Flüchtlingen „über-schwemmen“, um Europa seiner "christlichen und nationalen Identität" zu berauben. In Polen hat die Regierung unter Androhung von drei Jahren Gefängnis verboten, über die Mithilfe des polnischen Staates bei der Massenvernichtung der Juden im 2. Weltkrieg zu sprechen. In beiden Ländern hat die Haltung der Regierung diejenigen ermutigt, die nicht bei Worten stehen bleiben: Offene Drohungen und Angriffe auf Juden nehmen immer mehr zu.

Die AfD spielt eine ähnliche Rolle. Sie verharmlost die Judenvernichtung durch die Nazis, bezeichnet das Denkmal in Berlin für sie gar als „Schande“ und trägt dazu bei, offenen und auch gewaltsamen Antisemitismus wieder hoffähig zu machen… während sie gleichzeitig gegen die „antisemitischen Flüchtlinge“ hetzt.
Das ist nicht so widersprüchlich, wie es scheint. Dass Antisemitismus, Hass auf Flüchtlinge, Muslime und andere Formen von Rassismus stärker werden, hat eine gemeinsame Wurzel: die Krise des Kapitalismus. Überall werden die sozialen Probleme größer, Armut und die Sorge, wie es morgen weitergeht. Um das zu ändern, müsste man an die Ursachen gehen: an die Kapitalisten, ihre Reichtümer, ihre Alleinherrschaft über die Betriebe und die Profitlogik.
Gerade das aber wollen alle diese politischen Bewegungen nicht, sie stehen ja im Dienste dieser Kapitalisten. Also versuchen sie abzulenken, indem sie laut über irgendeine Gruppe schimpfen, die „anders“ ist – die eine andere Religion oder Lebensweise hat – und sie für alle Probleme verantwortlich machen. Ein Seehofer redet lieber jeden Tag über Flüchtlinge und den Islam, damit nicht auffällt, dass er nichts an der Leiharbeit, an der Situation in den Krankenhäusern oder den Niedrigrenten ändern will. Und nicht nur unter den „Einheimischen“, auch unter Migranten gibt es verschiedene politischen Bewegungen, die solches Gift versprühen.

Was den Antisemitismus betrifft, so kommt erschwerend hinzu, dass die israelische Regierung ihm selber Nahrung liefert. Denn wie kann man nicht wütend werden, wenn man sieht, wie der israelische Staat seit Jahrzehnten das palästinensische Volk in ein großes Gefangenenlager sperrt, ihnen Felder, Medikamente und Trinkwasser raubt und sie regelmäßig mit Bomben terrorisiert. All dies mit der offenen Unterstützung der USA.
In den letzten Wochen haben tausende Palästinenser mit Protesten an der Grenze versucht, auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Der israelische Staat hat dutzende von ihnen einfach niedergemetzelt und hunderten jungen Menschen gezielt in die Beine geschossen. Soll eine ganze Generation Palästinenser zu Krüppeln gemacht werden?
Es gibt weltweit viele Menschen jüdischen Glaubens oder jüdischer Herkunft, die diese grausame Politik ablehnen. Es ist also keine „jüdische“ Politik, sondern die eines Staates. Aber die israelische Regierung tut so, als würde sie im Namen aller Juden handeln. Und dies hilft den antisemitischen Kräften, die legitime Empörung über die israelische Politik in Antisemitismus, in Hass auf alle Menschen jüdischen Glaubens zu verwandeln – gerade in der arabischen Bevölkerung, zu der die Palästinenser gehören.
Auch viele arabische Staatschefs machen dabei mit. Sie reden gerne von der „Einheit aller Araber gegen den gemeinsamen Feind, die Juden“. Dabei haben sie nicht einen Finger gerührt, um den Palästinensern konkret zu helfen. Ihre Reden von der „Einheit aller Araber“ und dem „gemeinsamen jüdischen Feind“ helfen ihnen vor allem zu verschleiern, dass sie selber ihre eigene – arabische – Bevölkerung unterdrücken.

Es ist überall das gleiche: Ob die AfD und Seehofer, der israelische Staat oder die arabischen Staaten, alle versuchen, uns nach Religionen und Herkunft zu trennen. Sie wollen, dass jede Gruppe „unter sich“ bleibt und versuchen uns einzureden, dass andere Gruppen unser Feind sind. Dabei handeln sie genauso wie die Bosse, die in den Betrieben immer versuchen, uns zu spalten.
Wir, die einfache Bevölkerung, arbeiten aber in den Betrieben zusammen. Wir leben in den gleichen Stadtteilen. Und wir können nur verlieren, wenn unser Alltag irgendwann von Hass untereinander geprägt ist, wenn jeder Angst haben muss, für seine Ansichten oder sein Aussehen überfallen zu werden.

Damit dies nicht passiert, muss sich in der arbeitenden Klasse wieder die Erkenntnis durchsetzen, dass der wirkliche Gegensatz in dieser Gesellschaft zwischen den sozialen Klassen verläuft: zwischen den Wenigen, die das Geld, die Unternehmen und den Staat besitzen und uns allen, die wir nur unsere Arbeit zum Leben haben. Und dass sich für uns nur etwas ändern kann, wenn wir uns zusammentun – gegen die Kapitalisten und ihren Staat, die uns überall für ihren Profit ausbeuten, unterdrücken und notfalls mit unserem Blut für ihre Interessen Krieg führen.

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