Startseite > Das Rote Tuch > 118 > Mietproteste: Für die entschädigungslose Enteignung der Konzerne

Nr. 118, April 2019 - Leitartikel

Mietproteste: Für die entschädigungslose Enteignung der Konzerne

Am 6. April haben Zehntausende gegen den Wahnsinn der explodierenden Mieten demonstriert. Allein in Berlin hat sich die durchschnittliche Miete in den letzten 10 Jahren verdoppelt. Immer mehr werden von ihnen regelrecht erdrosselt, während Immobilienkonzerne wie Vonovia oder Deutsche Wohnen an der Börse ihre Profite feiern.

Die Forderung der Demonstranten, diese profitorientierten Wohnungskonzerne deswegen zu enteignen, hat bei den Politikern insbesondere von CDU, CSU, FDP und AfD Empörung ausgelöst.

Ja, diese Politiker vergießen keine Träne, wenn Immobilienkonzerne Rentner nach Jahrzehnten aus ihrer Wohnung vertreiben. Wenn sie mit Schein-Sanierungen die Mieten in die Höhe treiben... und Arbeiterfamilien dann mit der Polizei aus der Wohnung werfen lassen, weil sie die Miete nicht mehr zahlen können. Oder wenn Vonovia ein Viertel seiner Arbeiter entlässt, um „fit für die Börse zu sein“.

Für die herrschenden Politiker haben die Kapitalisten das Recht, die Arbeiter zu enteignen: ihnen ihren Arbeitsplatz oder ihre Wohnung zu rauben. Doch die Kapitalisten enteignen und den Wohnungsbau verstaatlichen zu wollen, ist für sie ein Verbrechen.

Als nach dem 2. Weltkrieg alles in Trümmern lag, hat der Staat viele Milliarden ausgegeben und Millionen Wohnungen gebaut. Doch seit Beginn der kapitalistischen Krise brauchen die Kapitalisten neue Profitquellen. Deshalb wurden die von der Allgemeinheit aufgebauten und bezahlten Bereiche wie Strom, Post, Telekom sowie Teile der Krankenhäuser und der Bahn privatisiert. Und genauso wurden ab 1988 große Teile des öffentlichen Wohnungsbestandes an Privatfirmen verscherbelt. Um ein paar Schulden loszuwerden, verschleuderte die Stadt Berlin zum Beispiel Wohnungen für 400 Millionen €, die nun das Zwanzigfache wert sind!
Wohnungen sind seitdem zu einem reinen Spekulationsobjekt geworden. Das hat die Mieten so sehr nach oben getrieben, dass in Städten wie Hamburg oder Frankfurt selbst Familien mit zwei halbwegs vernünftigen Einkommen kaum noch bezahlbare Wohnungen finden.

Die Immobilienkonzerne haben außerdem nur noch Wohnungen gebaut, die sie teuer verkaufen oder vermieten können – für Arbeiterfamilien bezahlbare Wohnungen hingegen fast gar nicht. Der Mangel an Sozialwohnungen zwingt die ärmere Bevölkerung, bei Vonovia, und Co. wohnen zu bleiben, selbst wenn sie die Miete kaum noch aufbringen kann. Und diese können dreist jedes Jahr die Miete erhöhen, obwohl sie nicht mal das Nötigste renovieren.

Und reden wir gar nicht erst von den Hedge-Fonds, die Häuser kaufen, eine Zeit lang die Miete kassieren und dann wieder verschwinden – und nicht einmal telefonisch erreichbar sind, wenn Aufzug oder Heizung nicht funktionieren. Bis die Feuerwehr am Ende ganze Hochhäuser wie in Dortmund oder Duisburg räumen muss, weil sie durch mangelnde Reparaturen und Brandschutz lebensgefährlich geworden sind.

Unter dem Druck der anhaltenden Mieterproteste hat die rot-rot-grüne Landesregierung in Berlin jetzt angefangen, ein paar Wohnungen zurückzukaufen – allerdings zum Teil für den zehnfachen Preis, für den sie die Wohnungen an die Immobilienkonzerne verschleudert hatte. Der Rückkauf ist also ein neues Geschenk an die Kapitalisten, das die Bevölkerung teuer bezahlen muss.

Eine solche Politik hat Grünen-Chef Habeck gemeint, als er erklärt hat, „im Notfall“ solle der Staat auch einzelne Grundstücke enteignen. Denn auch für die Grünen, die Linken und Teile der SPD, die heute über Enteignungen reden, ist das Eigentum der Kapitalisten heilig. Sie wollen es nicht enteignen, sondern es ihnen in Ausnahmefällen – ob freiwillig oder nicht – mit einer satten Entschädigung abkaufen, die die Bevölkerung zu bezahlen hat.

Nein! So wie man einem Einbrecher die Diebesbeute ohne Entschädigung und Abkauf abnimmt, muss man es auch mit den Wohnungen machen!

Die Demonstranten „gegen den Mietenwahnsinn“ haben Recht, wenn sie den Wahnsinn einer Gesellschaft anprangern, in der der Profit einer kleinen Minderheit über den elementarsten Bedürfnissen der Menschen steht.

Sie machen zu Recht darauf aufmerksam, dass es schädlich und gefährlich ist, die Entscheidungsgewalt über solche lebenswichtigen Fragen in den Händen einer Handvoll Aktionäre zu lassen.
Und auch wenn dazu selbstverständlich kein einfacher Volksentscheid ausreicht: Ja, es ist notwendig, dass man ihnen diese Macht wegnimmt!

Und das gilt nicht nur für die Wohnungsfrage. Ob es um die Herstellung von Lebensmitteln oder Waffen, um die Herstellung von Autos, ob es um Strom, Wasser, Krankenhäuser oder die Bahn geht, um die Entscheidungen der Chemie- und Pharmakonzerne oder der Banken: Überall ist es schädlich und lebensgefährlich, wenn darüber eine Handvoll Kapitalisten entscheidet, deren einzige Richtschnur der Profit ist.

Alle wichtigen Bereiche der Wirtschaft müssen in den Händen und unter der Kontrolle der Arbeiter sein – und nach den Bedürfnissen der Allgemeinheit organisiert werden.

Freiwillig oder per Gesetz werden die Kapitalisten sie allerdings niemals hergeben. Die Arbeiterklasse wird sie ihnen wegnehmen müssen. Sie wird die Macht der Kapitalisten stürzen müssen.
Eine solche revolutionäre Änderung der Gesellschaft ist die einzige Perspektive, für die Arbeiter und die gesamte Gesellschaft.

Das Rote Tuch
Archiv