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Nr. 26, Dezember 2010 - Leitartikel

Die Frage ist, WER die Schulden zahlt

Wie muss es sein, wenn man als Arbeitender plötzlich ein Viertel weniger Lohn bekommt? Wenn von heute auf morgen Mindestlohn und Arbeitslosenunterstützung um 11% gekürzt werden, während Hunderttausende ihre Arbeit verlieren? Wenn gleichzeitig noch die Mehrwertsteuer steigt? Es bedeutet, dass Millionen, die oft ein halbwegs ordentliches und gesichertes Einkommen hatten, mit einem Schlag in Armut stürzen.

Das müssen heute die Arbeitenden in Irland, Griechenland, Rumänien oder Portugal erleben, und alle aus dem gleichen Grund: Um die Banken in der Finanzkrise zu retten, haben sich ihre Staaten massiv verschuldet. Und nun erdrosseln die Banken diese Staaten, indem sie immer höhere Zinsen verlangen.

Irland zum Beispiel hatte vor der Finanzkrise kaum Schulden. Es war sogar eines der wenigen Länder, das mehr Einnahmen als Ausgaben hatte. Doch seit der Finanzkrise 2008 bringt das kleine Irland Dutzende Milliarden Euro auf, um seine Banken vor der Pleite zu retten. Nur deshalb hat es heute solche Schulden.
Und zum Dank dafür haben die Banken die Zinsen, die Irland für seine Kredite zahlen muss, von 3% auf 9% erhöht – unter dem Vorwand, Kredite für ein so verschuldetes und wirtschaftlich unsicheres Land seien ein großes Risiko für die Bank.

Um diese explodierenden Zinsen zu bezahlen und die Forderungen der großen Banken zu erfüllen, pressen die Staaten jeden Cent aus der einfachen Bevölkerung. Sie wird in den Abgrund gestoßen... und die Banken bereichern sich daran.

Diese Entwicklung droht uns allen! Alle Staaten haben sich total verschuldet, und jedes Land kann das nächste sein, dessen Zinsen von den „Finanz-märkten“, also von den großen Banken, in die Höhe getrieben werden. Deswegen machen sämtliche Staaten heute schon alles, um die Banken zu beruhigen, um ihre Ansprüche zu erfüllen.
Und was die Banken sehen wollen, das sind vor allem harte Sparmaßnahmen bei der arbeitenden Bevölkerung. So haben seit Sommer wirklich alle Regierungen mit ähnlichen massiven Sparplänen begonnen: Innerhalb weniger Monate wurden überall Rente, Gesundheitsversorgung und Arbeitslosenversicherung verschlechtert, wurden in bislang ungekanntem Ausmaß im öffentlichen Dienst Arbeitsplätze vernichtet und die Löhne gesenkt, wurden Verbrauchersteuern erhöht.
Angefangen bei den Ärmsten bleibt kein Teil der einfachen Bevölkerung verschont, weder die Arbeiter, die Studenten, noch die Rentner.
Und das alles, um den Verursachern der Schulden – Kapital, Banken und Industrie – noch mehr zu schenken. Sie bekommen in allen Ländern weitere Steuersenkungen, weitere Hilfen... und natürlich vor allem die riesigen Zinsen der Staatsschulden geschenkt.

Wie die Frage der Schulden geregelt wird, ist also eine Klassenfrage. Im Moment sind es die großen Banken und Konzerne, die ihre grausame Antwort mit Hilfe der Regierungen durchsetzen. Doch ihre maßlose Gier schürt auch in der arbeitenden Bevölkerung die Wut und Revolte, die eines Tages explodieren wird.

Die ersten Reaktionen konnten wir in den letzten Monaten erleben:

Die Millionen Arbeiter in Spanien, Portugal und Griechenland, die mehrfach tageweise gegen die heftigen Sparpläne gestreikt haben.

Die zehntausenden Schüler und Studenten, die in England nach Jahren der Stille wochenlang protestierten.

Die Millionen Arbeitenden, die in Frankreich immer wieder gegen die Rentenreform auf die Straße gingen, darunter viele aus Kleinbetrieben, die sich noch nie getraut hatten zu streiken.

Die Hunderttausenden in Irland, von denen nicht wenige, Junge wie Alte, mit selbstgebastelten Pappschildern gegen die Sparpläne... zu den ersten Demonstrationen ihres Lebens gingen.

Dass diese Reaktionen der arbeitenden Bevölkerung in Zukunft noch zahlreicher und entschlossener werden, ist unsere einzige Chance.

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