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Nr. 66, Juli 2014 - Aus dem Ruhrgebiet

„Post persönlich“ – 40 Euro für 30 Sekunden

In Gelsenkirchen und Mülheim hat die Post ein Pilotprojekt gestartet: „Post persönlich“. Persönlich ist daran allerdings nicht viel: Für 40 Euro im Monat klingelt der Postbote bei älteren Menschen, die allein sind und nicht mehr aus dem Haus kommen, einmal am Tag an und fragt durch die Lautsprecheranlage, ob alles OK ist. Wenn nicht, ruft er die Johanniter.

Die Post versucht, ihren neuen Dienst zu vermarkten, indem sie auf das alte Bild des Postboten setzt. Ja, früher war der Postbote ein wichtiger Teil des sozialen Lebens in den Stadtteilen und Dörfern. Er kam überall vorbei, unterhielt sich mit den Nachbarn und half auch mal bei anderen Sachen. Auf die Idee, dafür Geld zu nehmen, wäre kein Mensch gekommen.

Doch das ist lange vorbei: Um Arbeitsplätze einzusparen, sind von Jahr zu Jahr die Touren der Postboten größer geworden. Da bleibt keine Zeit mehr für ein Pläusch’chen, ja manchmal nicht einmal, um alle Briefe auszuliefern.

Mit „Post persönlich“ kommt noch mehr Stress hinzu. Die Touren werden nämlich nicht kürzer: Denn pro Kunde bekommen die Postboten gerade einmal eine Minute Zeit dafür berechnet:
1 Minute, in der man klingeln, ein älterer Mensch an die Tür kommen, man sich nach seinem Wohlbefinden und seinen Problemen erkundigen und wieder gehen soll!

Die Post versucht, auf dem Rücken älterer, einsamer Menschen schnelles zusätzliches Geld zu verdienen und den Postboten zusätzliche Arbeit aufzuzwingen. Dabei würde es wohl auch die Kunden mehr überzeugen, wenn die Post nicht nur auf Geld aus wäre, sondern wieder Personal einstellt und die Touren für die Boten lockerer gestaltet. Dann würden – ohne Extrabezahlung – auch wieder mehr menschliche Kontakte entstehen.

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