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Nr. 104, Januar 2018 - Ihre Gesellschaft

CDU und SPD sondieren… für die Kapitalisten

Es sagt eigentlich schon alles, wenn selbst viele SPD-Mitglieder über das mögliche CDU-SPD-Regierungspro-gramm sagen, dass „nichts drin steht“. Viele an der SPD-Basis wissen: Sollte die SPD mit diesem Programm in einer Großen Koalition regieren, dann wird sie zukünftig noch mehr Stimmen und damit Posten verlieren. Und eben deshalb sind in der SPD auch so viele gegen eine neue Große Koalition.

Das Wenige, was die SPD-Führung darin als „große soziale Verbesserungen“ zu verkaufen sucht, sind Luftnummern. „Große Verbesserungen bei der Rente?“ Das Rentenalter soll weiter auf 67 Jahre ansteigen, die Besteuerung der Renten auch. Für fast alle werden die Renten weiter sinken. Einzig, wer mindestens 35 Jahre lang gearbeitet hat und trotzdem auf Grundsicherung (also Sozialhilfe) angewiesen ist, soll in Zukunft… mickrige 80 Euro mehr Rente bekommen. Und selbst das nur, wenn man wie bei HartzIV alles offenlegt und beweisen kann, dass man Nichts hat, kein Erspartes und auch keinen Lebenspartner, der etwas mehr Rente bekommt.
Die SPD wirbt also dafür, dass man nach 35 oder 40 Jahren Maloche noch um einen Almosen betteln muss? Nach jahrzehntelanger Arbeit eine vernünftige Rente zu bekommen, das ist kein Geschenk, kein Almosen der Regierung. Das steht uns zu!

Nicht besser sind die anderen angeblichen „sozialen Verbesserungen“ in diesem geplanten Regierungsprogramm. Doch es wäre falsch zu sagen, dass dort gar nichts drin steht. Denn es gibt dort zig neue Verbesserungen für die Unternehmer (und damit Verschlechterungen für die Arbeiter).

Den Kapitalisten mit ihren gigantischen Vermögen wollen CDU- und SPD-Führung weitere Milliarden an Steuergeldern schenken, die so dringend für Krankenhäuser, Altenheime und andere öffentliche Dienste gebraucht würden. Die großen Konzerne sollen trotz ihrer Rekordgewinne Milliarden an „Hilfsgel-dern“ bekommen – unter dem Vorwand, Digitalisierung und Elektromobilität zu fördern. Die Immobilienkonzerne sollen Milliarden dafür bekommen, dass sie… Häuser bauen. Und zwar keine Sozialwohnungen, sondern schicke Häuser und teure Mietwohnungen.
Und die Krönung: All diese Konzerne, die wie Siemens, Thyssen, E.ON oder die Deutsche Bank Jahr für Jahr Tausende in die Arbeitslosigkeit schicken, sollen weniger Geld in die Arbeitslosenversicherung einzahlen müssen.
Auch die Gesetze, die es den Kapitalisten ermöglichen, uns immer mehr auszubeuten, sollen „weiterentwickelt“ werden. „Arbeiten auf Abruf“ soll als eine „normale“ Form des Arbeitens gesetzlich verankert werden. Das Arbeitszeitgesetz soll gelockert werden, damit uns die Bosse noch flexibler ausbeuten dürfen. Und auch das Arbeiten im Rentenalter, mit 70 oder 75 Jahren, soll „ausgebaut“ werden.

Die kapitalistische Klasse verlangt eine stabile Regierung, die verantwortungsbewusst ihre Interessen durchsetzt? Diese Regierung wollen CDU und SPD-Führung ihr geben.

Um davon abzulenken, reden sie vor allem davon, was sie alles gegen die Migranten unternehmen wollen. Gleich eine ganze Serie von Gesetzen soll ihnen das Leben noch schwerer machen.
Alle Syrer zum Beispiel, die nur ein befristetes Asylrecht bekommen haben, sollen ihre Familien nicht zu sich holen dürfen. Oder genauer gesagt: Nur noch insgesamt 1.000 Familienangehörige dürfen pro Monat nach Deutschland einreisen. Diese Familienmitglieder, darunter viele Kinder, hausen heute meist irgendwo in Flüchtlingslagern im Irak oder dem Libanon, wo es kaum genug zu essen gibt und Willkür der Soldaten an der Tagesordnung ist. Und viele zehntausende syrische Männer und zum Teil Frauen sollen nun noch Jahre darauf warten, bis sie ihre Ehepartner, Kinder oder Eltern da herausholen und sie wiedersehen können!

Und für diesen 1.000 Familienangehörige, die kommen dürfen, stoppt Deutschland obendrein die Aufnahme der 1.000 Flüchtlinge, die es bislang monatlich aus Griechenland aufgenommen hat. Die beiden Grenzländer Griechenland und Italien, in denen alle Flüchtlinge landen, die nach Europa wollen, sollen sich wieder ganz alleine um alle kümmern müssen – einfach, weil sie die "falsche" geographische Lage haben! Das ist ihr solidarisches Europa.

Natürlich löst keine der widerlichen Maßnahmen gegen die Migranten, die quasi direkt aus den CSU- und AfD-Programmen abgeschrieben sind, auch nur ein Problem der übrigen arbeitenden Bevölkerung, im Gegenteil: Sie ändern nichts an den Armutsrenten, der unsicheren Arbeit, den maroden Schulen, dem Wahnsinn in den Krankenhäusern. All diese Maßnahmen sind Demagogie, mit denen CDU und SPD so tun wollen, als würden sie „was tun“… auf dem Rücken der Schwächsten.

Noch ist nicht sicher, ob sich die SPD-Führung mit ihrem Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Kapitalisten und ihrem Wunsch, zumindest noch vier Jahre die Ministersessel auszukosten, durchsetzen wird – oder ob ihr die Basis tatsächlich einen Strich durch die Rechnung macht. Das Problem der Gegner der Großen Koalition ist jedoch, dass auch sie keine andere Politik und keine andere Perspektive haben.

Sicher hingegen ist, dass der ganze Verhandlungs-Zirkus von Jamaika und GroKo dazu beigetragen hat, in der arbeitenden Klasse noch mehr Abscheu vor der „großen Politik“ zu wecken.
Das Problem ist nur: Mit unserer Abscheu können sie leben – solange wir sie in Ruhe Politik für die kapitalistische Klasse machen lassen. Gerade das Gegenteil ist nötig: Wir Arbeiter müssen uns wieder selber in die Politik einmischen, mit unseren eigenen Forderungen und Interessen – und unserer eigenen Partei.

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