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Nr. 89, September 2016 - Leitartikel

Von SPD bis AfD: Über die wahren Probleme der Arbeiter redet keiner

Seit die AfD bei den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern 20,8% der Stimmen erhalten hat, kommt die CSU wieder jeden Tag mit einem neuen Gesetzes-Vorschlag gegen die Flüchtlinge.

AfD wie CSU versuchen uns weiszumachen, die Flüchtlinge wären unser wahres Problem. Ja? Sind denn etwa die Flüchtlinge schuld, dass immer mehr Menschen in Deutschland in Armut leben und vom Staat nur Schikanen erleben? Sind daran nicht eher die Unternehmer und die Regierung schuld, die seit Jahren bei Löhnen, Rente, Krankenkassen und Arbeitslosen kürzen?

Sind die Familien, die vor den Bomben aus Syrien geflohen sind, schuld daran, wenn es an bezahlbaren Wohnungen fehlt und Schulklassen überfüllt sind – und nicht eher die jahrelangen Sparmaßnahmen der Regierung?

Und wollen sie uns ernsthaft einreden, "Muslime“ wären für die wachsende Unsicherheit in unserem Alltag verantwortlich – und nicht die Unternehmer und die Regierung mit ihrer Leiharbeit, ihren befristeten Verträgen, Minijobs und ihren immer heftigeren Arbeitsbedingungen, die viele in der täglichen Sorge leben lässt, wie lange sie die Arbeit gesundheitlich überhaupt noch schaffen?

Zu all diesen realen Angriffen auf unser Leben hingegen schweigt die AfD. Wie könnte sie auch anders? Sie tut zwar gerne so, als wäre sie eine Partei des „kleinen Mannes“ und anders als die großen Parteien. Doch den großen Bossen will auch sie kein Haar krümmen.
Im Gegenteil, sie will ihnen die Ausbeutung noch erleichtern. Es ist kein Zufall, dass die AfD als erste Maßnahmen "für" die Arbeiter… den Mindestlohn abschaffen und das Rentenalter erhöhen will!

Nein, diese Partei – deren Mitglieder fast ausschließlich mittelständische Unternehmer, Professoren oder Rechtsanwälte sind – ist keine Partei der Arbeitenden, keine Partei, die die Interessen der Arbeiter, der Arbeitslosen, der ärmeren Rentner vertritt. Sie sind nichts als Demagogen, die die Wut über die Ungerechtigkeit der Gesellschaft auf die Schwächsten lenken, um damit Stimmen zu gewinnen und sich in die bequemen Sessel im Parlament setzen zu können.

Doch uns Arbeiter kann ihre Propaganda in Teufels Küche bringen. Denn die Flüchtlinge sind ein Teil der Arbeiterklasse, mit denselben Problemen und Gegnern wie wir. Schon heute nutzen erste Unternehmer die Unwissenheit der Flüchtlinge und ihren Wunsch zu arbeiten aus, um sie für 6 oder gar 3 Euro die Stunde auszubeuten. Morgen werden diese Flüchtlinge unsere Arbeitskollegen sein. Und wie soll es da werden, wenn sie bis dahin von allen Seiten nur offene Ablehnung und Feindschaft erfahren haben?

Leider werden die rechtsextremen Parteien, die dieses gefährliche Gift in der Arbeiterklasse versprühen, im Moment fast überall in Europa stärker. Auch dort, wo fast gar keine Flüchtlinge hingekommen sind, wie in Polen oder Frankreich. Ja sogar dort, wo die Regierung Mauern und Stacheldraht gegen sie errichtet, wie in Großbritannien oder Ungarn.

Es ist also Blödsinn, dass „Merkels Flüchtlingspolitik“ der Grund für das Erstarken der extremen Rechten wäre. Ein wahrer Grund ist, dass viele Menschen enttäuscht und angewidert sind von den großen Parteien, die seit Jahrzehnten regieren und dabei die Lage für die Bevölkerung immer weiter verschlechtern. Und da haben es die rechtsextremen Parteien nicht schwer, sich als „Alternative“ darzustellen. Deswegen ist es auch kein Widerspruch, dass die AfD in Mecklenburg-Vorpommern so viele Stimmen erreicht hat, wo es nur wenige Flüchtlinge gibt… aber dafür viel Arbeitslosigkeit und Armut.

Doch wenn sie das zugeben würden, dann müssten CSU, CDU und SPD ja ihre jahrelange Politik im Interesse des Kapitals in Frage stellen. Da könnte man eher von einem Ochsen Milch verlangen! Also machen sie lieber „Merkels Flüchtlingspolitik“ für den Wahlerfolg der AfD verantwortlich. Was nichts anderes heißt, als dass sie den Flüchtlingen die Schuld für das Erstarken der Rechtsextremen in die Schuhe schieben.

Mehr noch. In der Hoffnung, die Stimmen der AfD-Wähler zu gewinnen, fangen sie alle an, hauptsächlich über die Themen der AfD zu reden. Wodurch sie mit dazu beitragen, das Klima zu vergiften. Sie diskutieren über Sinnlosigkeiten wie den Erhalt „Deutschlands und seiner Kultur“ – statt darüber, dass in ihrer deutschen „Kultur“ Rentner im Müll wühlen müssen, während wenige Meter entfernt Kapitalisten an einem Tag Millionen an der Börse verzocken.
Oder sie reden über ein Burka-Verbot – statt darüber, dass Arbeiter von Daimler-Subfirmen Niedriglöhne bekommen, die unter HartzIV liegen, während der Konzern Milliardengewinne hat.

Keine dieser Parteien, weder die SPD, CDU, CSU und erst recht nicht die AfD, vertritt unsere Interessen. Keiner dieser Politiker wird auch nur versuchen, unsere Probleme zu lösen. Wir werden uns selber für unsere Interessen einsetzen müssen. Ja, es wird Zeit, dass wir Arbeiter uns wieder organisieren. Und uns gegen die wenden, die für unsere Lage wirklich verantwortlich sind: gegen die Diktatur der großen Kapitalisten über die Betriebe und die gesamte Wirtschaft.

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