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Nr. 97, Mai 2017 - Ihre Gesellschaft

Tarifverträge... zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen?

Die IG Metall hat zugestimmt, dass die Bosse der Metall- und Elektroindustrie einen Arbeiter künftig 48 Monate (vier Jahre) lang als Leiharbeiter im gleichen Betrieb ausbeuten dürfen. Eigentlich dürfen sie dies nach dem neuen Leiharbeitsgesetz nur noch 18 Monate lang – außer eben, die Gewerkschaft stimmt in einem Tarifvertrag längeren Zeiträumen zu.
Die IG Metall-Führung hat noch die Frechheit zu behaupten, dies nutze zwar den Unternehmern, aber es schaffe auch „mehr Sicherheit“ für die Leiharbeiter. Mehr Sicherheit? Als Leiharbeiter kann man jeden Tag entlassen werden, man arbeitet jeden Tag unter unsicheren Zukunftsbedingungen – ganz gleich, ob man 48 oder 18 Monate lang im gleichen Betrieb eingesetzt werden darf.

Doch der Abschluss der IG Metall macht deutlich, worum es SPD-Arbeits-ministerin Nahles bei diesem Leiharbeitsgesetz ging. Viele Unternehmen haben keine Tarifverträge mehr. Sie sind nur an das Arbeitsgesetz gebunden. Nahles wollte den Unternehmern Anreize geben, wieder Tarifverträge abzuschließen: Und zwar dadurch, dass diese noch schlechter sein dürfen als die eigentlichen „Mindeststandards“ im Gesetz.
Diese Regelung ist ein Geschenk an die Unternehmer: Durch die Hintertür des Tarifvertrags können sie so noch schlechtere Bedingungen einführen. Nicht nur bei Leiharbeitern: Nahles plant, solche Ausnahme-Regelungen künftig in vielen Arbeitsgesetzen zu ermöglichen – angefangen bei den Arbeitszeiten.

Wieso aber stimmt die Gewerkschaft dieser Regelung zu? Diese Regelung sichert vielen hauptamtlichen Gewerkschaftsfunktionären ihre Position. Denn sobald es einen Tarifvertrag gibt, haben sie quasi von Amts wegen eine wichtige Funktion für den Betrieb – ohne dass sie sich dafür Mühe geben müssten, Arbeiter zu überzeugen und für ihre Interessen einzutreten.

In der wirtschaftlichen Krise haben viele Gewerkschaften Betriebe und Mitglieder verloren. Es ist verlockend für deren Funktionäre, über diesen Weg an Einfluss zurückzugewinnen.
Doch dieser Weg bedeutet: Sie erkaufen ihren Einfluss damit, dass sie gezielt selbst das Wenige, was die Arbeitenden im Arbeitsgesetz schützt, über Bord werfen. Wenn sie diesen Weg tatsächlich im größeren Maße einschlagen, wäre dies ein weiterer Schritt auf dem Weg der Gewerkschaften, sich Stück für Stück in die Richtung von Hilfsorganisationen der Unternehmer zu entwickeln.

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