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Nr. 107, April 2018 - Leitartikel

Vom Krankenhaus zur Profit- und Ausbeutungs-Maschine

Erst hat der neue Gesundheitsminister Jens Spahn entdeckt, wie toll HartzIV angeblich die Armut bekämpft. Und nun erzählt er uns, wie toll wir im „guten deutschen Gesundheitswesen“ versorgt würden! Was meint er? Die Krankenhäuser und Pflegeheime, wo Beschäftigte von einem Patienten zum nächsten hetzen, zig Dinge gleichzeitig erledigen und nicht mal Zeit haben, Patienten zu trinken zu geben? Die Arztbesuche, wo gesetzlich Versicherte selbst notwendige Untersuchungen und Medikamente nicht bekommen?
 
Spahn hat mit seinen arroganten Sprüchen über die angeblich „eingebildete“ Benachteiligung von gesetzlich Versicherten und unseren angeblich zu hohen Ansprüchen klargemacht: Von ihm haben wir nichts zu erwarten. Im Gegenteil, hinter ein paar leeren Worten über „Sofortmaßnahmen für die Pflege“ plant die neue Regierung, die Zustände weiter zu verschlimmern. Die Kapitalisten haben nämlich in ihrer kriselnden Weltwirtschaft das Gesundheitswesen als Möglichkeit entdeckt, Gewinn zu machen. Und alle Regierungen helfen ihnen seitdem dabei, sich immer mehr Geld aus dem Gesundheitswesen unter den Nagel zu reißen. Eben deshalb werden die Zustände immer schlechter.
 
Nehmen wir nur die Krankenhäuser: Früher kam man hier nicht einmal auf die Idee, man könnte mit der Behandlung von Patienten „Gewinn“ oder „Verlust“ machen. Jede Untersuchung und jede Übernachtung wurde von den Krankenkassen einzeln bezahlt. Seit 15 Jahren aber erhält das Krankenhaus pro Patient nur noch eine Pauschale, die oft vorne und hinten nicht reicht. Daher machten auf einmal fast alle Krankenhäuser „Verlust“.
Also haben sie angefangen zu sparen. Sie haben viele Bereiche an Subfirmen ausgelagert, wo die Arbeiter zum Teil weniger verdienen als HartzIV. Und sie haben radikal Stellen abgebaut. Der Staat hat obendrein viel zu wenig Pflegekräfte ausgebildet.
Milliarden sind so bereits beim Personal eingespart worden (während die Konzerne für Medikamente und medizinische Geräte Jahr für Jahr mehr Geld von den Krankenhäusern bekommen).
Und die Spar-Schraube nimmt kein Ende. Denn jedes Mal, wenn die Krankenhäuser Geld eingespart haben, werden die Pauschalen weiter verringert… Mit katastrophalen Folgen: Mittlerweile sind die Zustände in den Krankenhäusern eine Gefahr für die Gesundheit aller dort Arbeitenden, und für die Patienten.
Und da die GroKo die Pauschalen nicht abschaffen will, werden weitere Einsparungen kommen!

Pauschalen und Gewinn-Verlust-Logik haben die Krankenhäuser in eine Art Fabrik verwandelt. Patienten werden nach „Stückzahlen“ gerechnet: Man muss möglichst viele von ihnen pro Monat „durchschleusen“ – mit möglichst wenig Beschäftigten und großer „Gewinnmarge“. Ein Fünftel aller Krankenhäuser wurde sogar geschlossen, damit in den übrigen Krankenhäusern jedes Bett und jeder OP-Saal voll „ausgelastet“ ist. Lieber sollen Patienten auf dem Flur liegen, als dass manchmal Betten leer sind!
 
Mit dieser Fabrik-Logik ist ein Teil der Krankenhäuser trotz Spar-Pauschalen so rentabel geworden, dass private Konzerne sie haben wollen. Die fünf großen Krankenhaus-Konzerne (wie Fresenius/Helios oder Asklepios) haben bereits ein Drittel aller deutschen Krankenhäuser aufgekauft! Diese Konzerne verschenken einen Teil der Gelder des Krankenhauses als Gewinn-Ausschüt-tung an die Aktionäre. Meist kaufen sie das Krankenhaus obendrein auf Kredit und zahlen dann die Raten ebenfalls mit dem Geld des Krankenhauses zurück.

Banken und Aktionäre stehlen so einen ganzen Teil des Gesundheitsbudgets. Und für die Arbeitenden bleibt umso weniger übrig. Kein Wunder, dass nach einer Privatisierung meist ein Viertel der Arbeitsplätze vernichtet oder mit drastischen Lohnkürzungen an Fremdfirmen ausgelagert wird. Entlassungen, unbeschreibliche Arbeitshetze und Niedriglöhne sind Alltag in den privatisierten Krankenhäusern.
Diese Konzerne führen außerdem nur Behandlungen durch, die Geld einbringen. Alles andere wird den öffentlichen Krankenhäusern überlassen oder schlichtweg gestrichen. Auf der Insel Sylt gab es nur eine einzige Geburtenstation. Asklepios hat sie geschlossen: Sie war nicht rentabel genug. Und sie schließen auch skrupellos das einzige Krankenhaus in 50 Kilometer Umkreis.
 
Und genau diese Privatisierung will die Große Koalition weiter vorantreiben! Mit einer Milliarde Euro pro Jahr will sie gezielt private Spezialkliniken fördern und Prämien für die Schließung gemeinnütziger Krankenhäuser zahlen. Ja, die Regierung will Prämien zahlen für die Zerstörung von Krankenhäusern mit all ihren Arbeitsplätzen und wunderbaren Möglichkeiten, Menschen zu heilen. Nur, um Auslastung und Gewinn der privaten Krankenhäuser noch zu steigern.
Diese kapitalistische Profitlogik ist wirklich krank, gefährlich und zerstörerisch: im Gesundheitswesen wie in allen anderen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft!
 
Doch mit der Verwandlung der Krankenhäuser und Pflegeheime in Profitmaschinen wurde auch offensichtlicher, dass die Beschäftigten dort Arbeiter sind wie alle anderen. Dass sie streiken können. Und dass sie dieselben Probleme und Gegner haben wie die Arbeiter in der Industrie und allen anderen Branchen: Arbeitshetze, Stellenabbau… Und genau das kann eine Stärke werden: Denn nur, wenn die Arbeiter sich zusammentun und entschlossen kämpfen, können sie das Kräfteverhältnis ändern, können sie Konzerne und Regierung zwingen, viele Arbeitende einzustellen und die Arbeit überall wieder unter mehr Kollegen aufzuteilen… und letztlich irgendwann die Gesellschaft aus dem Sumpf der Profitlogik befreien.

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