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Nr. 28, Februar 2011 - Ihre Gesellschaft

Der Ärztemangel ist künstlich geschaffen

Es ist fast schon normal, dass Menschen mit Schmerzen 2 oder sogar 3 Monate auf einen Untersuchungstermin warten müssen, dass alte Menschen eine kilometerweite Entfernung bis zum nächsten Facharzt überwinden müssen, dass Wartezimmer überfüllt und Wartelisten für Therapien unendlich lang sind. All dies, nur weil es viel zu wenig Ärzte gibt.
Dieser Ärztemangel ist künstlich erzeugt worden, von Regierungen, Krankenassen und Ärzteverbänden – und zwar rein aus Geldgründen.

Zum einen wird seit den 60er Jahren die Zahl der Studienplätze für Medizin durch einen Numerus Clausus (NC) beschränkt. Dadurch wird die Zahl der Medizinstudenten und damit der Ärzte gezielt klein gehalten. Denn weniger Ärzte heißt auch weniger Verschreibungen, also weniger Ausgaben für die Krankenkassen. Dass dabei die Versorgung leidet, störte die Zuständigen offensichtlich nicht.
Mittlerweile ist der Mangel an Ärzten dermaßen groß geworden, dass die Landesregierung in NRW letzte Woche beschlossen hat, 200 Medizinstudenten pro Jahr mehr zuzulassen. Dies ist allerdings nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein... und ändert außerdem in den nächsten 10 Jahren erst einmal gar nichts.

Doch selbst in den Städten und Fachrichtungen, wo es ausreichend Ärzte gäbe, fehlt es an Arztpraxen. Denn die Kassenärztliche Vereinigung und die Krankenkassen beschränken die Zahl der Arztpraxen pro Stadt. Sie bestimmen, wie viele Ärzte einer Fachrichtung es pro 100.000 Einwohner höchstens geben darf. Ist die Zahl voll, darf keine weitere Arztpraxis in der Stadt aufmachen. Davon profitieren auch die bestehenden Arztpraxen: Sie sichern sich eine große Patientenzahl und damit hohe Einkommen.
Zu leiden hat unter diesem künstlich erzeugten Ärztemangel vor allem der ärmere Teil der Bevölkerung. Privatpatienten werden in den meisten Arztpraxen grundsätzlich vorgezogen.

Außerdem siedeln sich die Ärzte eher in den reicheren Stadtteilen an, wo mehr Privatpatienten leben. Da aber die Zahl der Arztpraxen pro Stadt und nicht pro Stadtteil begrenzt wird, gibt es in den reicheren Stadtteilen meist ausreichend Ärzte, während der Ärztemangel in den Arbeiterstadtteilen umso schlimmer ist. Und so kommt es dann, dass es im Essener Norden nur noch 2 Kinderärzte für über 10.000 Kinder gibt und im Duisburger Norden für 70.000 Menschen nur noch einen Augenarzt!

Es gäbe genug motivierte junge Menschen, die gerne Ärzte werden würden. Es mangelt uns auch nicht an Gebäuden für Arztpraxen oder an Geräten, um diese modern auszustatten. Es mangelt einzig an einer Gesellschaft, in der eine gute medizinische Versorgung an erster Stelle steht und nicht das Geld.

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