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Nr. 116, Februar 2019 - Leitartikel

Grundrente: Die SPD versucht, wieder wie ein Vertreter der „kleinen Leute“ zu wirken

Es ist eine unerträgliche Schande. Fast vier Millionen Arbeitende – vor allem Frauen und besonders in Ostdeutschland – haben über 35 Jahre lang gearbeitet und bekommen dafür gerade mal ein paar hundert Euro Rente! Doch sollen wir ernsthaft glauben, dass die SPD dies jetzt ändern wird?

Mal abgesehen davon, dass Arbeitsminister Heil ernsthaft behauptet hat, die 900 Euro Grundrente (die er für diese langjährig Beschäftigten jetzt angeblich einführen will) würden „ein Leben ohne Armut“ ermöglichen.

900 Euro im Monat bedeutet jeden Tag rechnen und verzichten zu müssen. Heißt kein Geld zu haben für Ausflüge oder Geschenke an die Enkelkinder. Heißt bei jeder unvorhergesehenen Rechnung, einer Stromnachzahlung oder kaputten Waschmaschine den erniedrigenden Gang zu den Tafeln gehen zu müssen... und das, nachdem man jahrzehntelang gearbeitet hat!

Arbeitsminister Heil wäre glaubwürdiger, wenn er die Verursacher der Niedrigrenten benennen würde: Die großen Firmen, wie LIDL, Siemens oder Karstadt, die seit Jahren feste Stellen und Tarifarbeitsplätze vernichten oder auslagern, die die Löhne drücken und Millionen Frauen in Teilzeitstellen und Minijobs zwingen. All das verschärft durch die Rentenreformen und die Hartz-Gesetze.

Dagegen müsste man vorgehen, wenn man an den Armutsrenten wirklich etwas ändern wollte.
 
Doch selbstverständlich kommt es für den SPD-Arbeitsminister nicht in Frage, sich an den Kapitalisten und ihren Profiten zu vergreifen – und für CDU, FDP, Grüne oder AfD erst recht nicht. Und deshalb werden sie, trotz aller schönen Worte, nichts gegen die wachsende Armut im Alter unternehmen.
 
Mehr noch: Selbst die bescheidenen 900 Euro Grundrente werden die meisten Betroffenen nicht bekommen. Denn die CDU besteht darauf, dass nur „Bedürftige“ sie erhalten – also diejenigen, die Anspruch auf Sozialhilfe haben. Eine Verkäuferin aber, die 40 Jahre in Teilzeit bei Edeka an der Kasse gestanden hat und nun 600 Euro Rente hat – und deren Mann als Stahlarbeiter 1.500 Euro Rente bekommt, die gilt nicht als „bedürftig“. Zusammen mit ihrem Mann hätte sie laut der CDU ja „genug“ Geld.
 
Über drei Millionen Frauen sind in so einer Lage, und sie alle sollen auch in Zukunft nur 400 oder 600 Euro Rente bekommen. Ebenso die Millionen Arbeiterinnen und Arbeiter, die weniger als 35 Jahre gearbeitet haben, weil sie krank geworden oder mit 48 Jahren entlassen worden sind und keine Arbeit mehr finden konnten – oder weil sie zwischendurch mehrere Kinder großgezogen haben.
 
Nein, wir Arbeiter brauchen nicht beweisen, dass wir „bedürftig“ sind. Wir sind keine Bettler. Wir haben ein Anrecht auf ein Einkommen, von dem wir sorgenfrei leben können. Ob wir Frisörin, Lagerarbeiter, Paketbote, Altenpfleger, Busfahrerin oder Putzfrau sind, ob wir in Voll- oder Teilzeit arbeiten oder in Rente sind – keiner dürfte weniger als 1.800 Euro Netto bekommen!
 
Denn wir erzeugen mit unserer Arbeit ALLEN Reichtum dieser Gesellschaft. Das heißt, wir erarbeiten nicht nur das kleine bisschen, das wir als Lohn oder Rente bekommen. Wir erarbeiten auch das, was die Unternehmer offiziell in die Renten- oder Arbeitslosenkassen oder an Steuern zahlen. Wir erarbeiten die gesamten Gelder, die sich in den öffentlichen Kassen befinden. Und natürlich erarbeiten wir auch all das, was sich die Kapitalisten, die Großaktionäre in die Tasche stecken. Wer sollte diesen Reichtum auch sonst schaffen – die Aktionäre etwa?
 
Und wenn wir, die produktive Klasse der Gesellschaft, trotzdem immer ärmer werden – dann weil es das Kräfteverhältnis der kapitalistischen Klasse mit Unterstützung der Regierung ermöglicht, einen immer größeren Teil dieses Reichtums an sich zu reißen.
 
Sie bestehlen die arbeitende Klasse so brutal, dass das reichste Ein Prozent der Bevölkerung in Deutschland – sprich die kapitalistische Klasse – mittlerweile genauso viel besitzt wie 87 Prozent der Bevölkerung! Die Milliardäre in Deutschland konnten ihr Vermögen allein 2018 noch einmal um 20% steigern! Und mit der sich eintrübenden wirtschaftlichen Lage drohen sie in ihrem Diebstahl noch aggressiver zu werden.
 
Wenn wir uns auch nur einen kleinen Teil dessen zurückholen würden, müsste kein Arbeiter, kein Rentner, kein Kind, keine Alleinerziehende, kein Arbeiter mit einer Behinderung – müsste niemand in Deutschland in Armut leben.
 
Doch dies wird kein Politiker für uns tun. Wir werden selber für unsere Interessen kämpfen und das Kräfteverhältnis wieder zu unseren Gunsten ändern müssen. Wir Arbeitenden haben die Kraft und die Mittel dazu – eben weil wir so eine entscheidende Rolle in der Wirtschaft spielen und damit eine große Macht in den Händen halten. Und weil wir Arbeitenden letztlich die Gesellschaft sogar besser ohne diese parasitäre kapitalistische Klasse organisieren könnten.

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