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Nr. 18, Februar 2010 - Ihre Gesellschaft

Nicht weniger HartzIV, sondern höhere Löhne

Um beim rechtesten Teil ihrer Wähler zu punkten, ist sich die FDP für nichts zu schade. Gerade noch hat sie Steuergeschenke für reiche Erben durchgesetzt und so mit öffentlichem Geld den Wohlstand und Besitz derjenigen vermehrt, deren einzige Leistung der „Beruf Sohn“ ist. Und jetzt hetzt derselbe Westerwelle gegen HartzIV-Empfänger, die endlich lernen müssten – so sagt er – dass es „keinen Wohlstand ohne Anstrengung und Leistung gibt“.

Wie höhnisch müssen diese Worte geklungen haben in den Ohren der vielen älteren HartzIV-Empfänger, die nach Jahrzehnten der Maloche auf die Straße geschmissen wurden und nun mit 50 oder 55 Jahren bis zur Rente von den paar Brotkrumen von HartzIV ihr Dasein fristen müssen. „Anstrengung“ und „Leistung“ haben sie ihr Leben lang gebracht, doch das hat nie davor geschützt, in Armut zu leben.
Denn HartzIV bedeutet Armut, und nicht „anstrengungslosen Wohlstand“, wie Westerwelle es nennt.

Wie zynisch sind seine Worte für all die Opfer der Wirtschaftskrise, der Entlassungswellen und Insolvenzen, für die es keine Arbeitsplätze gibt und die nach einem Jahr in HartzIV rutschen.

HartzIV trotz Arbeit

Wie verachtend sind sie auch für die hunderttausenden alleinerziehenden Frauen, die zwei oder drei Kinder großziehen, oft noch Teilzeit bei Lidl, einem Pflegedienst oder als Putzfrau arbeiten und trotzdem auf HartzIV angewiesen sind. Sie haben für ihre Kinder gerade 3 Euro am Tag für Essen, 90 Cent im Monat für Spielzeug und nicht einen Cent für Schulbücher zur Verfügung. Und daran wird sich leider auch nichts ändern. Denn die Regierung hat nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes zwar erklärt, HartzIV neu zu berechnen... aber auf keinen Fall zu erhöhen.

Im Gegensatz zu Westerwelles Lügen gehen ein Drittel der erwerbsfähigen HartzIV-Empfänger regelmäßig arbeiten. Das Drama ist, dass sie so wenig verdienen, dass sie trotzdem auf HartzIV angewiesen sind.
Weil die Löhne so niedrig sind oder nur Teilzeit- und 400-Euro-Jobs angeboten werden – besonders bei Frauen. Und weil der gesamte öffentliche Dienst und die Sozialverbände in Kindergärten, Altenheimen, bei der Grünpflege usw. massenhaft Arbeitsplätze vernichtet und sie durch 1-Euro-Jobs ersetzt haben. Kindergärtnerinnen oder Pfleger, die früher für Tariflohn ihre Arbeit verrichtet haben, machen heute dieselbe Arbeit... als HartzIV-Empfänger.

Hinzu kommt, dass die Unternehmer die Angst vor Arbeitslosigkeit und HartzIV genutzt haben, um überall die Löhne zu drücken. Mit dem Ergebnis, dass heute Millionen Arbeitende Netto kaum mehr als HartzIV verdienen. Und ja, das ist eine Schande!
Jeder Arbeitende muss von seinem Lohn vernünftig leben können. Doch dafür brauchen wir ausreichend anständig bezahlte Arbeitsplätze, in den Unternehmen wie im Öffentlichen Dienst. Und letztendlich brauchen wir alle ordentliche Lohnerhöhungen.

Reiche und Sklaven – wie in Rom

Anders als ein Westerwelle uns glauben machen will, haben diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben und diejenigen, die Arbeit suchen, die gleichen Interessen. Sie sitzen im selben Boot. Und derselbe Arbeiter, der heute eine Arbeit hat, kann morgen arbeitslos sein, übermorgen eine befristete Stelle haben...

Zu „Wohlstand“ kommen wir Arbeitende in dieser Gesellschaft alle nicht. Weder, wenn man sich kaputt arbeitet, noch wenn man verzweifelt Arbeit sucht. Reich werden von unserer Arbeit und auch von dem Ausspielen von Arbeitenden und Arbeitsuchenden ganz andere: die reichen Kapitalisten und Großaktionäre, die selber in ihrem Leben oft nicht einen Tag arbeiten mussten.

Und so erinnert Westerwelle wirklich an „die spätrömische Dekadenz“. Wie damals liegen die reichen Eliten bequem im Sessel, stopfen sich voll und schimpfen noch darüber, wie faul ihre Sklaven sind, die ihnen nicht schnell genug die Weintrauben bringen... bis zu dem Tag, wo den Sklaven der Kragen platzte und sie in großen Aufständen die Bonzen aus ihren Sesseln aufscheuchten.

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