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Nr. 115, Januar 2019 - Internationales

Ein Gift namens Brexit

Nachdem das britische Parlament das Brexit-Abkommen abgelehnt hat, weiß keiner, wie es weitergeht. Wird es einen Aufschub für den EU-Austritt geben oder nicht, eine zweite Abstimmung über den Brexit, Neuwahlen? In jedem Fall hat eine neue Phase politischer und wirtschaftlicher Instabilität begonnen, die voller Gefahren für die arbeitende Bevölkerung ist.

Die kapitalistische Klasse in Großbritannien wollte nie den Zugang zum europäischen Binnenmarkt verlieren, der für sie wirtschaftlich sehr wichtig ist.
Doch für die führenden Politiker in Großbritannien war es lange Jahre einfach zu verlockend, die EU zum Sündenbock für alle Probleme zu machen. Es ist kein Geld in der britischen Staatskasse? „Die EU ist schuld, weil sie so viel Geld verschlingt.“ Niedriglöhne und Armut breiten sich aus? „Die Migranten aus anderen EU-Staaten sind Schuld, vor allem aus Polen und Osteuropa“, die angeblich den Briten die Arbeitsplätze wegnehmen und zu Billiglöhnen arbeiten würden.

Um nicht über die wahren Verantwortlichen – die Kapitalisten und die britische Regierung – zu sprechen, hat man die EU für alles verantwortlich gemacht.
Irgendwann hat sich diese Demagogie verselbstständigt – mit dem Ergebnis, dass 2016 eine ganz knappe Mehrheit für den Brexit stimmte, den weder die Kapitalisten noch die führenden Politiker wirklich gewollt hatten.

Seitdem hat Premierministerin Theresa May versucht, ein Abkommen auszuhandeln, bei dem Großbritannien zwar formell aus der EU austritt, aber für die Kapitalisten alles beim Alten bleibt. Um den Brexit-Befürwortern trotzdem zu gefallen, hat sie umso härtere Maßnahmen gegen Migranten und EU-Bürger angekündigt und Vielen mit Ausweisung gedroht.

Ihr Kalkül ist nicht aufgegangen. Bereits während der Brexit-Verhandlungen ist die Währung eingebrochen, die Bevölkerung leidet unter der Inflation. Viele Betriebe haben bereits im Namen des Brexit Entlassungen und sogar die Schließung oder Verlagerung ganzer Fabriken angekündigt. Statt die Wirtschaftskrise zu lösen, verschärft der Brexit sie. Und der Frust über die Regierung wird immer größer.

Die Politiker haben daher die Abstimmung über das Brexit-Abkommen genutzt, um sich von der Regierung zu distanzieren und um Wählerstimmen zu werben. Die einen (Konservative), indem sie einen noch härteren Brexit fordern – die anderen, indem sie Neuwahlen fordern. Wobei auch die größte Oppositionspartei, die Labour-Party, keine einheitliche Haltung zum Brexit vertritt.

Und so steckt Großbritannien in einer politischen Krise, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint, so sehr sind all diese verantwortungslosen bürgerlichen Politiker einzig davon geleitet, Wählerstimmen zu ergattern.

Der Brexit ist ein Gift, denn er spaltet die Arbeiter in Brexit-Befürworter und -Gegner, und er heizt die nationalistischen und fremdenfeindlichen Vorurteile an. Während die politische Kaste mit ihrem widerwärtigen, nationalistischen Theater die Bühne beherrscht, hatte die arbeitende Bevölkerung bislang keine Gelegenheit, als Arbeiter auf den Brexit zu antworten und ihre Klasseninteressen in den Vordergrund zu stellen.

Angesichts der derzeitigen Gefahren, der arbeiterfeindlichen Offensive und der mit ihr verbundenen fremdenfeindlichen Hetze ist eine solche Antwort nötiger denn je.

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