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Nr. 163, März 2023 - Leitartikel

Streik ist die richtige Antwort auf die steigenden Preise!

500 Euro mehr Lohn im Monat: Für diese Forderung legen seit Wochen immer wieder hunderttausende Arbeitende der Müllabfuhr, der Verkehrsbetriebe, der städtischen Krankenhäuser, Kitas und anderen öffentlichen Einrichtungen in ganz Deutschland für mehrere Tage die Arbeit nieder.

Sie weigern sich länger hinzunehmen, dass sie immer härter arbeiten müssen, mit immer weniger Personal – für Löhne, die viel weniger wert sind als noch vor zwei Jahren. Sie kämpfen für eine Lohnerhöhung, die die gestiegenen Preise ausgleicht.

Ihre Forderung könnte die von uns allen sein! Uns allen zerrinnt unser Lohn, unsere Rente, unsere Sozialleistungen zwischen den Fingern. 500 Euro mehr im Monat braucht fast jeder von uns, um die Preissteigerungen auszugleichen.
Allein deshalb ist der Kampf der Arbeitenden im Öffentlichen Dienst unser aller Kampf. Und warum nicht sogar eine Gelegenheit, sich ihnen anzuschließen?

Die deutschen Konzerne haben 2022 erneut Rekordgewinne eingefahren. Kein Wunder: Die hunderte Euro, die wir mehr für Energie, Nahrung, Miete, Auto und gestiegene Kredit-Zinsen bezahlen, verschwinden schließlich nicht. Sie landen in den Taschen von RWE, Lidl, Daimler, Vonovia oder der Deutschen Bank – von denen viele ihre Milliardengewinne sogar verdoppelt haben!

Und von den Konten der Konzerne wandern diese Milliarden direkt in die nächste Börsen-Spekulation oder auf die Konten der Aktionäre. 55 Milliarden Euro Dividende schenken ihnen die 40 DAX-Konzerne dieses Jahr: 60% mehr als noch vor zwei Jahren! Während wir Arbeitenden gleichzeitig spürbar ärmer geworden sind.

Die Preissteigerungen sind eine gigantische Umverteilung zugunsten der Konzerne und der Reichsten der Reichen – auf Kosten der gesamten einfachen Bevölkerung.
Die herrschende Klasse weiß, dass diese parasitäre Profitgier Folgen für ihre eigene Wirtschaft hat. Denn wenn sie uns alle ärmer machen, können wir weniger kaufen – und sie weniger verkaufen.
Doch die Antwort der Konzerne besteht darin, dass sie schon vorsorglich Stellen abbauen, Anlagen schließen, bei Subfirmen sparen und Kleinbetriebe in den Ruin treiben. Sprich: Sie sichern trotz sinkender Nachfrage ihre Gewinne, indem sie einem Teil von uns auch noch Arbeitsplatz und Existenz rauben.

Und indem sie sich von der Regierung mit immer neuen Milliarden-„Hilfen“ überschütten lassen. Gerade erst hat diese verkündet, der Industrie als nächstes einen billigen Strompreis subventionieren zu wollen – während die einfache Bevölkerung natürlich weiter den hohen Strompreis zahlen soll.
Und dann erklären dieselben Regierenden den Streikenden im Öffentlichen Dienst, dass für einen Inflationsausgleich der Löhne „kein Geld“ da sei. Im Gegenteil, sie wollen in der Tarifrunde ernsthaft durchsetzen, dass die städtischen Krankenhäuser wegen „Geld-mangel“... die Löhne sogar senken dürfen!

In Krisenzeiten wie heute wird noch deutlicher: Es gibt keinen „guten Kompromiss“ zwischen den Interessen der Kapitalisten und den unseren. Mehr denn je heißt es: Sie – oder wir.
Und wir Arbeitenden verfügen durchaus über eine mächtige Waffe, um für unsere Interessen zu kämpfen: unsere zentrale Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft.

Die Streikenden heute erinnern daran: Wenn sie nicht arbeiten, fährt kein Bus, wird kein Müll abgeholt, keine Schule geputzt. Und in den anderen Branchen ist es genauso: Ohne uns wird kein Auto hergestellt, werden keine Lebensmittel verkauft oder Pakete transportiert. Dass wir die Wirtschaft am Laufen halten – und damit auch anhalten können – ist eine Macht, der wir uns oft selbst nicht bewusst sind.
Bei der Post hat es schon gereicht, dass 86% für einen unbefristeten Streik gestimmt haben. Prompt hat der Post-Vorstand (der noch kurz vorher arrogant erklärt hatte, dass es doch nicht sein Problem sei, wenn die Beschäftigten höhere Ausgaben hätte) deutlich mehr Lohnerhöhung angeboten: 340 Euro mehr pro Monat im nächsten Jahr – und für dieses Jahr zwar nur Einmalzahlungen, allerdings knapp 3.000 Euro.

Allerdings hatten die zehntausenden, in den Streiks aktiven Post-Arbeiter*innen nicht die Möglichkeit, sich in den Betrieben zu versammeln und gemeinsam über das Angebot zu beraten. Eine kleine Gruppe Gewerkschaftsfunktionäre hat entschieden und öffentlich verkündet, dass das Angebot gut sei und nicht gestreikt werde – worüber später nur noch pro forma abgestimmt wird.

Wieso aber sollte eine kleine Minderheit das Recht haben, über die Köpfe von zehntausenden Streikenden hinweg zu entscheiden? In unserem ganzen Leben entscheiden ständig andere über uns: Chefs, Aktionäre, Politiker…. In unseren eigenen Kämpfen wollen wir Arbeitenden uns nicht bevormunden lassen!

Wenn wir über unsere Streiks selber entscheiden, gewinnen wir noch viel mehr als das materielle Ergebnis. Wir gewinnen wichtige Erfahrungen, wie wir uns organisieren, die Lage einschätzen und kämpfen können. Und vor allem machen wir die Erfahrung, dass wir Arbeitenden gemeinschaftlich sehr wohl über alle Fragen unserer Kämpfe selber entscheiden können – besser als jeder andere.

Und nicht nur unserer Kämpfe. Letztlich können wir Arbeitenden auch die Betriebe und die gesamte Gesellschaft am besten leiten. Schon deshalb, weil wir eben nicht nach der kapitalistischen Profitlogik handeln müssen.

Gerade angesichts der bedrohlichen Entwicklung des Kapitalismus gibt es nichts Wichtigeres, als dass wir dieses Selbstbewusstsein wiedergewinnen.

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