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Nr. 99, Juli 2017 - Leitartikel

Voll beschäftigt… und arm: Das Wahlversprechen der CDU für uns Arbeitende!

Merkel und die CDU machen jetzt Wahlkampf mit dem Versprechen, bis 2025 „Vollbeschäftigung“ zu erreichen. Unter der CDU sei die Arbeitslosigkeit bereits auf (offiziell) 5,5% gesunken, sie wolle diese erfolgreiche Politik fortsetzen.

Eine erfolgreiche Politik? Was soll daran ein Erfolg sein, dass zwar weniger Menschen offiziell arbeitslos sind, aber dafür mittlerweile über 4 Millionen Berufstätige unter der Armutsgrenze leben, doppelt so viele wie noch vor zehn Jahren? Was haben wir von neuen Arbeitsplätzen, die schlechter oder kaum besser bezahlt werden als HartzIV und die die Armut vergrößern statt sie zu verringern? Und die dazu führen, dass bald jeder fünfte Rentner und jede dritte Rentnerin weniger als 958 Euro Rente hat – kaum genug für Wohnung und Essen?

Es ist schon eine Lüge, überhaupt von mehr Arbeitsplätzen zu sprechen. In Wahrheit werden insgesamt sogar weniger Stunden gearbeitet als noch vor 25 Jahren. Es gibt nur deshalb statistisch mehr Arbeitsplätze, weil die Bosse Vollzeitjobs in mehrere Minijobs oder Teilzeitstellen aufgespalten haben. Von den 3,5 Millionen „neuen“ Arbeitsplätzen, die in den letzten 15 Jahren entstanden sind, waren 2 Millionen Minijobs!

Millionen Arbeitende haben also einen Job gefunden, aber keinen Vollzeitjob, sondern einen Job, dessen Lohn nie zum Leben reicht; ja wo man selbst mit zwei oder drei Jobs oft so wenig verdient, dass man am Ende eines Monats harter Arbeit zum Jobcenter gehen und um HartzIV-Aufstockung bitten muss.
Ja, mittlerweile sind nur noch 40% aller HartzIV-Empfänger arbeitslos. 60% gehen arbeiten, aber brauchen zu ihrem Lohn noch HartzIV.

Und die Vernichtung von festen Vollzeitstellen hört nicht auf. Allein in den letzten zwei Wochen haben die vier Konzerne Bombardier, ThyssenKrupp, Vodafone und Commerzbank die Vernichtung von insgesamt 10.000 Arbeitsplätzen in Deutschland angekündigt.
Darüber hinaus werden immer mehr Vollzeitjobs durch unsichere, schlechter bezahlte Leiharbeits- und befristete Jobs ersetzt, oder durch Fremdfirmen.

Wie viele Arbeiter wurden mit 50 oder 55 Jahren bei einer der vielen Entlassungswellen der letzten Jahre arbeitslos, konnten dann – wenn überhaupt – nur schlechter bezahlte, meist Leiharbeitsjobs finden... und haben heute eine Armutsrente!
Wie vielen wurde die Pistole auf die Brust gesetzt und gesagt: Wir lagern deinen Bereich an eine Fremdfirma aus. Entweder du wechselst dahin und akzeptierst 9 oder 10 Euro Stundenlohn – oder du sitzt auf der Straße!
Wie viele Jüngere hatten noch nie etwas anderes als befristete Verträge oder Leiharbeit und müssen immer wieder zwischendurch zum Arbeitsamt!

Auch wenn sie Vollzeit arbeiten, müssen viele von ihnen jeden Euro dreimal umdrehen, müssen spätestens ab Mitte des Monats bei jeder Ausgabe rechnen. Und jede unvorhergesehene Rechnung kann sie in die Verschuldung treiben.

40% der Arbeitenden sind bereits Leiharbeiter, Minijobber, befristet oder in Teilzeit! So sieht ihr „Jobwunder" wirklich aus. Und der Plan der Konzerne ist, dass es nicht dabei bleibt. Wenn es nach ihnen geht, sollen wir irgendwann alle zu solchen Bedingungen arbeiten.

Wenn Merkel verspricht, diesen Weg fortzusetzen und so angeblich Vollbeschäftigung zu schaffen, dann ist dies für uns Arbeiter kein Wahlversprechen, sondern eine Drohung. Es bedeutet: Merkel wird den Bossen weiter helfen, uns nach und nach in unsichere Jobs mit Niedriglöhnen zu drängen. Und die SPD würde dasselbe tun. Auf diese Angriffe müssen wir uns vorbereiten.
Das fängt damit an, uns nicht in die Irre führen zu lassen. Ihre Propaganda von
den „vielen freien Arbeitsplätzen“ dient nämlich auch dazu, die Idee zu verbreiten: Wer heute arbeitslos ist, sei selber schuld. Wie CDU-Generalsekretär Tauber getwittert hat: "Wenn Sie was Ordentliches gelernt haben, dann brauchen Sie keine drei Minijobs."

Eine widerliche Lüge! Selbst die Arbeitenden in Altenheimen oder Kitas, die angeblich dringend gesucht werden, bekommen oft nur Teilzeit und befristete Verträge, und sind zwischendurch arbeitslos. Und wie vielen Arbeitslosen werden, wenn überhaupt, nur Jobs „angeboten“, bei denen sie genauso arm bleiben wie ohne Arbeit. Dennoch nehmen die meisten in ihrer Verzweiflung selbst diese Jobs an.

Die HartzIV-Empfänger sind die Opfer der Arbeitslosigkeit, nicht ihre Verursacher. Verantwortlich für die Armut, ebenso wie für all die unsicheren und immer härteren Arbeitsplätze sind die Kapitalisten, die mit Stellenabbau und Lohndrückerei dafür sorgen, dass ihre Profite trotz Weltwirtschaftskrise weiter in den Himmel wachsen. Verantwortlich sind auch die Regierungen, die ihnen helfen.

Gegen sie müssen wir unsere Wut richten, wenn wir wollen, dass sich an unserer Lage etwas ändert. Gegen die Profitlogik des Kapitals müssen wir ein Verbot von Entlassungen und Stellenabbau erkämpfen. Und wir müssen erkämpfen, dass wir kontrollieren, was sie mit dem gigantischen Reichtum machen, den wir ihnen erarbeitet haben – und sie zwingen, diesen Reichtum zuallererst für den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen einzusetzen, statt für den Kauf anderer Firmen, für Spekulation, für Luxusyachten oder Waffen.

Einfach wird das nicht, aber es ist unsere einzige Chance. Denn eins ist mit Sicherheit eine Utopie: Zu hoffen, dass die Fäulnis des Kapitalismus, seine wachsende Ausbeutung, Verelendung und Barbarei uns auf Dauer verschont.

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