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Nr. 151, Februar 2022 - Ihre Gesellschaft

Diskussion um Impfpflicht in der Pflege: Beide Seiten greifen Patienten und Beschäftigte an

Im Dezember hatten CDU, CSU, SPD, Grüne und FDP entschieden, dass ab Mitte März ungeimpfte Beschäftigte nicht mehr im Krankenhaus oder in der Altenpflege arbeiten dürfen. Die Diskussion, die darüber nun zwischen Bayerns CSU-Ministerpräsidenten Söder und der Regierung entbrannt ist, ist wirklich heuchlerisch – und zwar von beiden Seiten.

Die Regierung will alle ungeimpften Beschäftigten im Gesundheitswesen ohne Lohn nach Hause schicken und sie am Ende sogar entlassen – mit der Begründung, der Schutz der Patienten stehe an erster Stelle.
Das kommt aus dem Mund von Politikern, die jeden Tag beweisen, dass die Patienten für sie absolut nicht an erster Stelle stehen. Dieselben Politiker sparen seit Jahren Altenheime und Krankenhäuser kaputt und richten sie auf Profit aus – mit lebensgefährlichen Folgen für die Patienten. Dieselben Politiker zwingen heute geimpfte Pflegekräfte (wegen dem von ihnen verursachten Personalmangel) arbeiten zu gehen, selbst wenn deren Kinder oder Lebensgefährten an Corona erkrankt sind und damit eine echte Gefahr besteht, dass sie ebenfalls infiziert sind und Patienten anstecken.

Dank all dieser Sparmaßnahmen arbeiten die Beschäftigten im Gesundheitswesen jetzt schon weit über ihre Grenzen hinaus. Und auch wenn die Regierung mit dem Finger auf sie zeigt, um von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken: In vielen Einrichtungen sind bereits über 95% geimpft.
Nur hat es wegen des extremen Personalmangels bereits massive Folgen, wenn auch nur 2 oder 5% der Beschäftigten wegen der Impfpflicht gehen. Dass ab Mitte März die verbleibenden Kolleg*innen deren Arbeit auch noch mitmachen, dass sie noch mehr rennen, noch mehr ausgelaugt werden sollen, darüber verliert die Regierung kein Wort.
In Ostdeutschland und Bayern sind allerdings mehr Beschäftigte nicht geimpft, weshalb die übrigen ihren Weggang gar nicht auffangen könnten. Und das, was eigentlich ein Armutszeugnis ist – extremer Personalmangel und eine niedrige Impfquote in Bayern – versucht Söder nun zu nutzen, um sich zu profilieren.

Er und mehrere ostdeutsche Länder wollen das Kleingedruckte im Gesetz nutzen, um einen noch zynischeren Weg zu gehen: Sie wollen je nach Personalmangel entscheiden, ob und wen sie nicht mehr arbeiten lassen.
Gerade in den Einrichtungen, wo viele nicht geimpft sind und daher die Gefahr für die Patienten am größten ist, sollen die ungeimpften Pflegekräfte bleiben dürfen, weil sonst zu viel Personal fehlen würde. Dort hingegen, wo die meisten geimpft sind, sollen sie gehen müssen. Mehr noch: Ungeimpfte Pflegekräfte sollen wegen des Personalmangels vielfach bleiben dürfen. Ungeimpfte Reinigungskräfte oder Arbeitende im Büro aber, die einfacher zu „ersetzen“ sind, sollen ihre Arbeit verlieren. Das ist Söders Plan, der mindestens ebenso verachtend für die Beschäftigten ist wie der Plan der Regierung.

Im Gegensatz zu all diesen Politikern versuchen die Beschäftigten im Gesundheitswesen tatsächlich, sich so gut wie möglich um die Patienten zu kümmern. Sie alle haben obendrein während der Corona-Pandemie ihre Gesundheit riskiert, um die Patienten zu versorgen. Es gibt keine Rechtfertigung, dass heute auch nur eine von ihnen die Existenzgrundlage verliert.

Für die kleine Minderheit, die sich nicht impfen lassen möchte, gibt es im Gesundheitswesen genug Arbeiten, die dringend gebraucht werden und wo sie nicht mit Patienten in Kontakt kommen. Wem wirklich an mehr Patienten-Sicherheit in Krankenhäusern und Pflegeheimen gelegen ist, sollte sich nicht gegen sie wenden, sondern gegen die Spar- und Privatisierungspolitik aller Parteien, die in Bund und Ländern regieren.

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