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Nr. 26, Dezember 2010 - Internationales

Haiti bekommt keine Häuser und Medikamente, aber Wahlzettel

Während in Haiti 11 Monate nach dem Erdbeben weiterhin 800.000 Menschen in den Trümmern hausen, während die Cholera bereits über 2400 Tote gefordert hat, gab es für die Großmächte nichts wichtigeres... als die Präsidentschaftswahlen!
Während immer noch kein Wohnviertel aufgebaut ist, kein Trinkwasser, keine Seife und Medikamente gegen die Cholera verteilt werden, haben die USA, Frankreich und die übrigen westlichen Großmächte Menschen und Geld aufgebracht, um diese Wahlen zu organisieren.

Und was für Wahlen! Riesige Wahlplakate prankten auf den wenigen Mauern, die nicht zerfallen sind. Wahlkampf-Autos mit Lautsprechern fuhren durch das Land, während die Menschen kein Auto auftreiben können, um Cholera-Kranke zu einer Krankenstation zu fahren. Sogar ein Flugzeug kreiste eine Woche lang mit Wahlwerbung über Haiti.
Die Staatskasse hat der scheidende Präsident geplündert, um mit all diesen Mitteln für seinen zukünftigen Schwiegersohn Célestin Wahlkampf zu machen. Eine Wahlwerbung, für die 10 mal so viel ausgegeben wurde wie für den Kampf gegen die Cholera.

Um nichts dem Zufall zu überlassen, wurden außerdem die Wahlen offensichtlich gefälscht: Wahlurnen waren bereits voll, als die Wahllokale öffneten, Wahlzettel wurden gefälscht, Einwohner am Wählen gehindert.
Und so wurde – wie überraschend – Célestin unter dem Schutz der westlichen Truppen zu einem der beiden Sieger des 1. Wahlgangs erklärt.

Diese Wahl hat die Wut und Verzweiflung vieler Menschen noch vergrößert. Tausende demonstrieren gegen das offensichtlich gefälschte Wahlergebnis – Demonstrationen, die mit brutaler Gewalt der Polizei unterdrückt werden und bereits mehrere Demonstranten das Leben gekostet haben.

Das also ist das Einzige, was die westlichen Großmächte der Bevölkerung auf Haiti zu bieten haben: ein paar wertlose Stimmzettel und die schlechte Maskerade einer Demokratie, die kaum die wahre Diktatur verstecken kann, unter der die Bevölkerung täglich leidet: die Diktatur der Armut und Obdachlosigkeit, der Krankheit, der Angst ums Überleben.

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