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Der Funke eines rassistischen Mordes hat die soziale Wut zur Explosion gebracht

Der Artikel ist die Übersetzung des Leitartikels unserer französischen Genossen von Lutte Ouvrière in ihrer gleichnamigen Zeitung vom 3. Juni 2020.

Eine wahre Revolte erschüttert die USA. Jeden Tag demonstrieren Hunderttausende in dutzenden Städten im ganzen Land. In rund zwanzig Bundesstaaten ist bereits die Nationalgarde aufmarschiert. 5.000 Menschen wurden festgenommen. Und dennoch setzten sich auch am 2. Juni die Demonstranten wieder über die Ausgangssperren hinweg und ließen sich nicht entmutigen.

Und wie soll man auch nicht empört sein angesichts dieses schrecklichen, kaltblütigen Mordes? Angesichts von Polizisten, die auf offener Straße einen am Boden liegenden, gefesselten Mann töten, der ruft, dass er nicht atmen kann und sterben wird? Was George Floyd passiert ist, mussten so viele Schwarze erleiden. Seit der Zeit der Rassentrennung und der Lynchmorde sind so viele von ihnen durch die Hände von Weißen getötet worden – einfach nur, weil sie nicht gefügig genug waren oder schlicht, weil sie im falschen Moment am falschen Ort waren.

Die Polizisten, die George Floyd in neun unendlichen Minuten erstickt haben, haben gehandelt wie so viele vor ihnen, auch in der letzten Zeit. Und wenn ihr Verbrechen nicht gefilmt worden und das Video verbreitet worden wäre, dann wäre ihr gefälschter Bericht, der von einem „medizinischen Vorfall“ spricht, als die Wahrheit durchgegangen. Und selbst so waren noch mehrere Tage lang Demonstrationen nötig, bis zumindest ein einziger Polizist angeklagt und ins Gefängnis gesteckt wurde. In den allermeisten Fällen aber müssen die mordenden Polizisten sich nicht mal Sorgen machen, angeklagt zu werden.

Die Vereinigten Staaten, die man uns so gerne als Vorbild hinstellt, wurden auf der Sklaverei begründet. Darauf folgten die Rassentrennung und die brutale Ausbeutung der freien Arbeitskräfte, um den modernen Kapitalismus aufzubauen. Heute lasten der Rassismus und die Diskriminierungen immer noch schwer auf den Schwarzen. Sie bilden den Teil der Arbeiterklasse, der die härtesten Arbeiten macht und die niedrigsten Löhne bekommt. Sie leben in den ärmsten Vierteln und Wohnungen, wenn sie nicht gerade die Gefängnisse bevölkern. Sie sind auch diejenigen, die am härtesten vom Coronavirus betroffen sind. In gewisser Weise leiden auch weiße Arbeiter unter dem Rassismus, da die Herrschaft des Großkapitals sich auf diese Trennung zwischen armen Weißen und armen Schwarzen stützt.

Möglicherweise ist der Rassismus heute weniger allgemein verbreitet, als er das lange Zeit war. Darauf deutet zumindest hin, dass gerade auch viele junge Weiße an den Demonstrationen teilnehmen. Dennoch bleibt der Rassismus allgegenwärtig, was schon die Präsidentschaft Trumps zeigt. Er ist der Sohn eines Mannes, der dem Ku-Klux-Klan nahestand und wurde gewählt als jemand, der auf die Schwarzen und die Migranten schimpft. Trump hat sich jetzt nochmal selbst übertroffen, indem er dazu aufgerufen hat, auf die Demonstranten zu schießen. Je näher die Präsidentschaftswahlen kommen, umso mehr stützt er sich auf die schmutzigste rassistische und sicherheitspolitische Hetze.

Die aktuelle Protestbewegung wird ohne Zweifel auch von der brutalen Verschlechterung der Lebensbedingungen der amerikanischen Arbeiterklasse genährt. George Floyd lebte von kleinen Jobs. Er war LKW-Fahrer, dann Security in einem Restaurant. Seit den Corona-Ausgangsbeschränkungen hatte er keine Arbeit mehr. Er wurde nicht nur getötet, weil er schwarz war, sondern auch, weil er arm war. Diese Armut erleben dutzende Millionen Menschen in diesem reichsten Land der Welt. In einem Land, von dem man uns vor wenigen Monaten noch erzählt hat, dass es dort Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung geben würde. 40 Millionen Amerikaner wurden gerade in die Arbeitslosigkeit gestürzt und können weder ihre Miete noch ihre Kredite bezahlen. Sie stehen bei der Armenspeisung Schlange. Der Coronavirus hat den Krieg, den die Kapitalisten gegen die Arbeiterklasse führen, gefährlich beschleunigt. Die Arbeiter werden auf die Straße geschmissen, um die Profite der Kapitalisten zu retten. Heute bricht das ganze System ein.

Die Führer der Demokraten laufen Trump hinterher: Einer nach dem anderen – und Joe Biden vorne weg – verurteilen sie die Randalierer mit viel härteren Worten, als sie sie gegenüber den mordenden Polizisten gebraucht haben. In den Städten und Staaten, in denen sie an der Regierung sind, schicken sie die Truppen gegen die Demonstranten. Ihre grundlegende Aufgabe und Verantwortung gegenüber den Kapitalisten besteht darin, diesen barbarischen Staatsapparat zu verteidigen, an dessen Spitze sie sich mit den Republikanern abwechseln. Unter Obama, der acht Jahre lang Präsident war, haben sich die Bedingungen für die Schwarzen nicht verbessert. All das kommt heute zum Ausbruch.

Trotz aller Unterschiede zu den USA betrifft das, was dort passiert, auch alle Arbeitenden hier in Europa. Die Polizeigewalt, der Rassismus, die Massenarbeitslosigkeit sind die bekannten Zutaten der Revolte in den Vereinigten Staaten. Und die Wut ist eine gute Sache, weil sie Perspektiven eröffnen kann. Die Wurzel des Rassismus und der Unterdrückung der Schwarzen ist das kapitalistische System und es ist zu hoffen, dass der Aufstand Wege findet, dieses System anzugreifen. Wenn dies der Fall wäre, würde dies eine riesige Hoffnung für alle Arbeitenden bedeuten. Die Arbeiter der Vereinigten Staaten, egal welcher Hautfarbe, aber auch alle, die sich auf dieser Seite des Atlantiks befinden, müssen diesem bankrotten Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ein Ende setzen.